Warum die Neutralität bleiben muss

ANALYSE. So lange es keine Alternative gibt, ist der Ruf nach ihrer Beseitigung so fahrlässig wie der außenpolitische Irrweg, den Sebastian Kurz zuletzt verfolgt hat.

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ANALYSE. So lange es keine Alternative gibt, ist der Ruf nach ihrer Beseitigung so fahrlässig wie der außenpolitische Irrweg, den Sebastian Kurz zuletzt verfolgt hat.

Mit Außenminister Sebastian Kurz in den heiligen Krieg? Zum Glück wird es nicht dazu kommen: Anfang September hat der ÖVP-Politiker gefordert, in den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) auch den syrischen Machthabers Baschar al-Assad einzubinden. Wenig später hat sich Russland an die Seite des Diktators gestellt, der den Tod unzähliger Menschen zu verantworten hat, und zunächst Luftangriffe gegen IS-Stellungen gestartet. Die Orthodoxe Kirche gab in Moskau ihren Segen – und sprach von einem heiligen Krieg. Ob das im Sinne Kurz‘ ist? Wohl kaum.
 
Die Geschichte hat dem Außenminister wohl auch gezeigt, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man bei einer solchen Auseinandersetzung mitmischen möchte: Gerade als kleines Land, das die Entwicklungen nicht weiter beeinflussen kann, steht man da schnell auf der falschen Seite.

Vor allem aber unterstreicht der Vorfall die außenpolitische Orientierungslosigkeit der Nation: Im Kalten Krieg war Österreich neutral zwischen den Blöcken. Nach dem Niedergang des Ostblocks entstand ein Vakuum, das sich erst jetzt, durch ein Wiedererstarken Russlands wieder füllen könnte.

Doch Österreich hat in all den Jahren seinen Platz auf internationaler Ebene nicht gefunden. Die Neutralität ist schubladisiert worden. Sie ist in den letzten Jahren nur noch dann hervorgezogen worden, wenn sie nützlich erschien – etwa, um für eine Beibehaltung der Wehrplicht zu argumentieren.

Die Neutralität könnte gerade in Zeiten zunehmender Konflikte wieder nützlich gemacht werden – für ernstzunehmende Vermittlungsdienste etwa.

Das Problem ist, dass die möglichen Plätze auf der Weltbühne nur auf dem Papier existieren oder unbrauchbar geworden sind. Die Gemeinsame Europäische Außen- und Verteidigungspolitik wird in absehbarer Zeit beispielsweise nicht zustande kommen; zu unterschiedlich sind die Interessen Großbritanniens, Frankreichs oder Ungarns, um nur drei beliebige Mitgliedsländer zu nennen.

Ein NATO-Beitritt, wie er in den 90ern von der ÖVP unter Parteichef Wolfgang Schüssel angestrebt worden ist, steht nicht mehr zur Diskussion. Zumal die Allianz selbst in einer Krise steckt, seitdem sich die USA nicht mehr als Weltpolizei verstehen, die auch durch die die NATO verkörpert worden ist. Abgesehen davon würde Österreich aufgrund des Sparkurses beim Bundesheer die Aufnahmebedingungen wohl nicht mehr erfüllen.

Schon allein vor diesem Hintergrund wäre es fahrlässig, die Neutralität einfach aufzugeben. So lange es keine Alternative gibt, ist sie besser als nichts, ja könnte gerade in Zeiten zunehmender Konflikte wieder nützlich gemacht werden – für ernstzunehmende Vermittlungsdienste etwa.

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