ANALYSE. Dass es heuer viel mehr Anzeigen gegen Asylwerber gibt, heißt nicht, dass diese krimineller geworden sind; es gibt ja auch viel mehr Asylwerber.
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird nicht müde, die Republik zu verunsichern. Schließlich braucht er Gründe, einen Notstand ausrufen zu können, um im Sinne eines entsprechenden Regierungsbeschlusses weiteren Flüchtlingen den Zugang zum Land zu verwehren. Das ist natürlich schon einmal grundsätzlich ein Problem: Der Mann, der für die Sicherheit zuständig ist, tut ganz bewusst so, als würde er dabei versagen. Womit er quasi auch den Job übernimmt, den ansonsten eher nur Populisten ausüben (Stichwort Bürgerkriegswarnung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache).
Bemerkenswert bei alledem ist die Argumentation des Innenministers: Am Wochenende berichtete er von einem deutlichen Anstieg von tatverdächtigen Asylwerbern – von 14.500 im gesamten Vorjahr auf 18.000 bereits heuer. Abgesehen davon, dass sein Ressort bisher ausschließlich Anzeigen- und nicht Tatverdächtigenstatistiken veröffentlichte, was im Sinne der Unschuldsvermutung ein feiner Unterschied ist, vergisst Sobotka, eine Erklärung dafür abzugeben: Im vergangenen Jahr sind die (relativ gesehen) meisten Flüchtlinge erst gegen Jahresende nach Österreich gekommen; im letzten Quartal waren es rund 36 Prozent. Das heißt, dass es schon dann viel mehr Anzeigen im heurigen Jahr gibt, wenn nach einer gewissen Zeit der gleich große Anteil wie in der Vergangenheit straffällig geworden ist.
Im letzten Sicherheitsbericht wurden die Entwicklungen noch begründet
Was entlarvend ist: Im Unterschied zum Innenminister haben seine Beamte im Sicherheitsbericht 2015 sehr wohl die Gesamtzahl der anwesenden Flüchtlinge berücksichtigt und so die Veränderungen in der Anzeigenstatistik relativiert. Zitat: „In absoluten Zahlen ist die Zahl der Straftaten verursacht durch Asylwerbende in Österreich 2015 um 38,8 Prozent gestiegen. Stellt man jedoch der Gesamtzahl der in Österreich Asylsuchenden die Zahl der tatverdächtigen Asylsuchenden gegenüber, so war diese 2015 in Relation stark rückläufig: waren 2014 von 1.000 Asylwerberinnen und -werbern 371 Personen straffällig, so waren 2015 weniger als die Hälfte davon, nämlich nur noch 161 Personen, tatverdächtig.“