ANALYSE. Der Finanzminister weiß, dass ihm schwer beizukommen ist und dass er sich auf Sebastian Kurz und den Koalitionspartner verlassen kann. Schaden nimmt die gesamte Politik.
Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) jetzt kooperiert und zur Aufklärung beiträgt. Es hat jedoch seinen Grund, dass ihm eine deutliche Mehrheit der Menschen in Österreich nicht mehr vertraut. Und dass auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein gewisses Misstrauen dokumentiert, wenn er das Straflandesgericht Wien beauftragt, zu überprüfen, ob er dem Ibiza-U-Ausschuss wirklich nicht alle Unterlagen geliefert hat, die von diesem angefordert wurden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Van der Bellen betonte, dass die einen dies und die anderen jenes behaupten, er kein Hellseher sei, es also möglich ist, dass Blümel hier Unrecht getan wird: Wo gibt es das, dass Aussagen eines Regierungsmitglieds derart nachkontrolliert werden müssen?
Wo gibt es eine solche Vorgeschichte: Blümel war es, der dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes von Anfang März nicht nachkam, Unterlagen zu liefern; bzw. ebendies erst nach und nach tat, nachdem Van der Bellen darauf hinwies, dass er sie unter Umständen auch durch das Bundesheer holen lassen könnte. Blümel war es, der während einer Hausdurchsuchung seinen Laptop mit dem Kinderwagen seiner Ehefrau spazieren fahren ließ; der im U-Ausschuss absurde Erinnerungslücken zeigte.
Doch genug der Wiederholungen: Schlimmer ist die Verhöhnung, die der Finanzminister demonstriert; dass er so weit gehen kann; und dass das die gesamte Politik beschädigt. Zunächst zur Verhöhnung. These: Blümel weiß genau, dass er zum Beispiel im Unterschied zu einem Falschparker nicht so schnell etwas zu befürchten hat. Der Bundespräsident kann ihn allein beispielsweise nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers entlassen. Der U-Ausschuss ist wiederum zeitlich befristet, es genügt also, wenn er auf Zeit spielt.
Hier würde einerseits eine Mitverantwortung von Bundeskanzler Sebastian Kurz und der ÖVP zum Tragen kommen und andererseits eine solche der Grünen. Deren Klubobfrau Sigrid Maurer macht jedoch klar, dass sie nach einer Abwägung die Augen zudrücken: Sie lehnen eine Verlängerung des U-Ausschusses ab; für die drei Monate, um die es hier gehe, setze man nicht die gemeinsame Regierung aufs Spiel. Sprich: Laut Maurer ist alles halb so schlimm.
Gernot Blümel darf sich freuen; das eröffnet ihm eine gewisse Narrenfreiheit. Wobei dieses Wort zu verniedlichend ist: Politik lebt davon, dass bestimmte Regeln eingehalten werden. Das Regierungsmitglieder z.B. das Parlament, die Justiz, den Verfassungsgerichtshof und Medien respektieren (und umgekehrt). Von Leuten wie Blümel wird das mehr denn je missachtet. Damit zerstören sie politische Kultur, das gibt ihnen nicht nur eine gewisse Narrenfreiheit, sondern überhaupt die Möglichkeit, viel zu weitgehend nach eigenen Regeln zu agieren, ohne sich zur Verantwortung ziehen zu lassen.
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