Und übermorgen ein generelles Kopftuchverbot

ANALYSE. Während Bildungsminister Faßmann versucht, herauszufinden, wie groß das Problem wirklich ist, stellt Vizekanzler Strache schon das übernächste Verbot in Aussicht; eines an Mittelschulen nämlich. Das stärkt die Glaubwürdigkeit nicht, im Gegenteil.

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ANALYSE. Während Bildungsminister Faßmann versucht, herauszufinden, wie groß das Problem wirklich ist, stellt Vizekanzler Strache schon das übernächste Verbot in Aussicht; eines an Mittelschulen nämlich. Das stärkt die Glaubwürdigkeit nicht, im Gegenteil.

Regierungspolitik muss nicht evidenzbasiert sein, Gefühle sind ganz offensichtlich ausreichend: Ob es Erhebungen dazu gebe, wieviele Kinder in Kindergärten oder Volksschulen ein Kopftuch tragen, wollte der Neos-Abgeordnete Douglas Hoyos-Trauttmansdorff im Frühjahr von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) wissen. Dessen Antwort fiel leicht verschwurbelt aus: Sein Ressort stehe „mit unterschiedlichen Behörden, die mit dieser Thematik in der Praxis befasst sind ebenso wie mit schulischen Einrichtungen in ständigem Austausch. Entsprechende Fälle werden analysiert. Dieser Prozess ist derzeit im Gange.“ Also nein, es gibt keine Fakten.

Und daran dürfte sich nichts geändert haben. Bekanntgegeben hat Faßmann bis heute jedenfalls nichts dergleichen. Was doppelt bemerkenswert ist, handelt es sich doch um eine entscheidende Grundlage dafür, abzuwägen, ob ein solches Verbot überhaupt nötig ist; und hat die Regierung mittlerweile nicht nur ein Kopftuchverbot an Kindergärten auf Schiene gebracht, sondern setzt nun auch noch zu einem solchen an Volksschulen an.

„Darüber kann man diskutieren.“ (Strache zu einem übernächsten Kopftuchvebot)

Damit tun sich Faßmann und Co. nichts Gutes: Selbst wenn sie nur von wenigen Fällen berichten könnten, hätten sie wenigstens irgendeine Basis, um dem Vorwurf entgegenzutreten, reine Gefühlspolitik zu betreiben. Außerdem: Wenn man das Kopftuchverbot als Symbol für die Unterdrückung von Frauen bekämpfen will, ist es merkwürdig, sich dabei einen Jahrgang nach dem anderen zeitlich verzögert vorzunehmen. Soll es das Thema erhalten, mit dem sich in gewissen Kreisen so wirkungsvoll Stimmung machen lässt? So wird es wohl sein.

Fakt ist, dass nach dem Kopftuchverbot an Kindergärten eines an Volksschulen kommen soll – und dass ein drittes, das in die Mittelschulzeit hineinreicht, bereits absehbar ist. Das hat Vizekanzler, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ bereits angedeutet. Zitat:

ÖSTERREICH: Wozu das Kopftuchverbot an Volksschulen?
Strache: Unser Ziel ist es, kleine Mädchen bis zur geschlechtlichen Reife zu schützen, eine selbstbestimmte Entwicklung und eine gute Integration sicherzustellen. So würde es Mädchen bis zum zehnten Lebensjahr schützen.
ÖSTERREICH: Wenn es um geschlechtliche Reife geht, müsste man das Kopftuch aber für Mädchen bis zwölf Jahre einführen.
Strache: Darüber kann man diskutieren. Aber es macht jetzt einmal Sinn, das bis zum Ende der Volksschule außer Streit zu stellen. Es muss ja auch rechtlich gut handzuhaben sein. Und ich hoffe, dass es der Opposition auch ein Anliegen ist, die Mädchen zu schützen.

Ein Kopfttuchverbot aus sachlich nicht weiter nachvollziehbaren Gründen nach dem anderen also. Viel eher datengestützt wäre ein ganz anderes Problem: Antisemitismus, von wem auch immer – Rechtsradikalen, Islamisten etc. Das Forum gegen Antisemitismus berichtet, dass sich die Zahl er gemeldeten Vorfälle seit 2014 auf 503 im vergangenen Jahr verdoppelt hätten. Wie sehr sich hier etwas ganz Übles auswächst, lässt sich auch anhand der Postings erahnen, die es nach dem Zusammentreffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem Investor George Soros setzte: „Mehrere Poster bezogen sich auch auf die in antisemitischen Kreisen verbreitete Theorie, wonach Soros mit seinem „schmutzigen Geld“ Wirtschaftsmigranten nach Europa treibe. Andere verwiesen darauf, dass Soros „Jude“ sei“, so die Kleine Zeitung. Hier jedoch empfiehlt Faßmann, wegzuschauen. „Man muss nicht alles zur Kenntnis nehmen“, meinte er in der ORF-ZiB 2 wörtlich, „man muss das ignorieren, weil es zu ignorieren ist“.

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