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ANALYSE. „Die Pressefreiheit ist nicht absolut“, schreibt Verfassungsministerin Edtstadler, um Stimmung für eine weitere Beschränkung zu machen. Ein Lehrbeispiel perfider Kommunikation.

Sebastian Kurz hat es perfektioniert, Botschaften so zu formulieren, dass man zunächst vielleicht geneigt ist, zuzustimmen, dann aber unter Umständen zurückschreckt, weil man erkennt, was zum Ausdruck gebracht wird. „Stopp der Zuwanderung in unser Sozialsystem“, lautete so ein Satz im Nationalratswahlkampf 2017. Er setzt darauf, dass niemand bloße Zuwanderung ins Sozialsystem möchte. Außerdem unterstellt er, dass Menschen ausschließlich nach Österreich kommen, um sich hier quasi „auf unsere Kosten“ durchfüttern zu lassen. Genauso, wie es de facto auch bei aktuellen Rufen nach einer Arbeitspflicht für Asylwerber mitschwingt.

Es ist insofern perfid, als es Fragen wie jene ausklammert, ob man den Leuten auch eine Chance gibt, zu arbeiten und sich zu integrieren; ja ob man sie überhaupt lässt; oder ob man sich lieber darauf beschränkt, ihnen eher nur mit Unterstellungen zu kommen. Rechtspopulistische Politik neigt zu letzterem.

Jetzt hat Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) einen Beitrag auf Twitter (X) mit folgenden Worten eröffnet: „Sagen, was ist: Die Pressefreiheit ist nicht absolut.“ Im Inhalt geht es darum, ihre Forderung nach einem Zitierverbot für Medien aus Verfahrensakten zu bekräftigen. Und zwar ausdrücklich als „Kleine Nachhilfestunde für alle vermeintlichen Menschenrechtsexpert:innen“.

Die untergriffige Anmerkung hielt Medienrechtsexperten wie Peter Lehofer nicht davon ab, Edtstadler inhaltlich nüchtern zu erwidern (Lehofer hat das in einem längeren Blog-Beitrag hier gemacht). Die Medienanwältin Maria Windhager wies auf X im Übrigen darauf hin, dass es kein solches Verbot brauche, weil ohnehin schon eine Abwägung zwingend ist, ob eine Veröffentlichung in überwiegend öffentlichem Interesse ist oder nicht. Beziehungsweise ob zum Beispiel also persönliche Rechte Betroffener überwiegen oder nicht. Soll heißen: Man darf nicht aus jedem Akt zitieren. Das ist Rechtslage in Österreich im Jahr 2023.

Damit ist zu Edtstadlers Feststellung „Die Pressefreiheit ist nicht absolut“ schon Entscheidendes gesagt. Aber nicht alles. Man sollte sich das Motiv vergegenwärtigen, das die Verfassungsministerin dazu bewegt, die Sache auf dieses Niveau zu ziehen: Es geht ihr um ihren Parteifreund und ehemaligen Weggefährten Sebastian Kurz, bei dem Chatveröffentlichungen dazu geführt haben, dass er gehen musste. Die Aussage, dass die Pressefreiheit nicht absolut sei, zielt nun darauf ab, was bei einer Masse erwartbar ist, die ausschließlich auf die Worte achtet: Zustimmung. Womit schon ein Boden für die beabsichtigte weitere Beschränkung der Pressefreiheit bereitet wäre.

Sagen, was ist: Die Pressefreiheit ist nicht absolut.

(Kleine Nachhilfestunde für alle vermeintlichen Menschenrechtsexpert:innen.)

Ich verfolge mit großem Interesse die aktuelle Debatte um meine Forderung nach einem Zitierverbot im nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren.…

— Karoline Edtstadler (@k_edtstadler) November 19, 2023

Die Betonung liegt auf „weitere Beschränkung“: Die Grenzen der Pressefreiheit sind rechtlich bereits umfassend. Auf der Seite des Parlaments etwa gibt es eine gute Zusammenfassung dazu, mit Hinweisen zu verbotenen Beschimpfungen, Verspottungen, Diskriminierungen, Beschuldigungen etc. Windhager verweist wie erwähnt zudem auf eine selbstverständlich existierende Grenze beim Zitieren aus Akten.

Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass österreichische Medien über ein freiwilliges Organ der Selbstkontrolle verfügen, das etwa darauf achtet, dass Journalistinnen und Journalisten sorgfältig arbeiten. Und dass es die Regierung ist, der Edtstadler angehört, die eine existenziell notwendige Anpassung der Förderung von derzeit 156.000 Euro für den Presserat verweigert.

Zu betonen sind abgesehen davon die politischen Angriffe auf die Pressefreiheit im weitesten Sinne. Stichwort Inseratenkorruption, die indirekt gegen diese Freiheit gerichtet ist. Sie hält, brutal formuliert, am Leben, was Regierenden gefällig ist. Oder der vermeintlich harmlose Trend, dass sich Kanzler und Vizekanzler nicht mehr regelmäßig nach einem Ministerrat der Presse stellen; und dass sie und ihre Minister:innen zunehmend dazu neigen, nur noch in Form schriftlicher Statements mit der Medienöffentlichkeit zu kommunizieren, was Nachfragen schwer bis unmöglich macht. Oder aber die Unsäglichkeit, über den Stiftungsrat parteipolitische Kontrolle über den ORF auszuüben: Sieht man die Aussage „Die Pressefreiheit ist nicht absolut“ in diesem Kontext, wird erst deutlich, wie zynisch sie in ihrem vollen Umfang ist.

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