ANALYSE. Weder zur Pandemie noch zum Ukraine-Krieg und den Folgen zeigt die Regierung ernste Ambitionen. Auch sonst hat sie nichts mehr vor. Das ist kein Zustand mitten in der Legislaturperiode.
Mit Johannes Rauch ist ein neuer Gesundheitsminister angetreten, der vor allem eines feststellen muss: Ohnmacht. Wenige Tage nach weitreichenden Lockerungen sieht er sich außer Stande, neue Beschränkungen einzuführen, obwohl sich die Spitäler wieder so sehr füllen, dass sie in Verbindung mit Personalausfällen einmal mehr an Grenzen stoßen, Betten schließen und Operationen verschieben müssen. Gleichzeitig ist die Zahl der Erstimpfungen pro Tag längst in einem dreistelligen Bereich angekommen, handelt es sich durchschnittlich nur noch um 0,004 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sprich: Dieses Kapitel ist durch die vermasselte Impfpflicht wohl erledigt worden. Angekündigte Initiativen, die Menschen motivieren sollten, gibt es nicht.
Ja wozu gibt es denn überhaupt noch diese Regierung? Die Frage wirkt hölzern, stellt sich jedoch: Corona lässt man ungebremst durchrauschen. Politik mag da nicht mehr mitmischen. Und sie wird es im Hinblick auf Herbst und Winter bzw. nachfolgende Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol auch kaum noch jemals tun wollen. Da gilt es, mehr als 40 Prozent aller österreichischen Wahlberechtigten zu umwerben. Thomas Stelzer (ÖVP) hat’s vor der oberösterreichischen Landtagswahl im vergangenen Herbst vorgemacht: Zugunsten von Wohlfühlthemen gibt’s Problemverweigerung.
Zum Ukraine-Krieg und damit einhergehenden Herausforderungen tut österreichische Politik nichts zur Sache: Wolodymyr Selenskyj hat den Telefonkontakt mit anderen, mit wichtigeren intensiviert. Wer sich direkt an den amerikanischen Kongress und den deutschen Bundestag wenden kann, bracht Wien nicht mehr so dringlich. Wozu auch? Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat eine Neutralitätsdebatte eröffnet und gleich wieder beendet. Militärische Hilfe gibt’s nicht. Bei Sanktionen gegen Russland gibt man sich auf der anderen Seite wählerisch. Gaslieferungen nimmt man weiterhin gerne. Ein Stopp würde aufgrund der Abhängigkeitsverhältnisse (zu) wehtun. Andererseits: Wäre es in Anbetracht dessen, worum es beim Ukraine-Krieg geht, nicht ein zumutbarer Preis? Darüber wird auf politischer Ebene nicht einmal diskutiert.
Grüne wie türkise Politiker geben sich stattdessen billigem Populismus hin: Werner Kogler (Grüne) prügelt wegen der Spritpreise Mineralölkonzerne, als wäre er der Chef einer Autofahrerpartei. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) wiederholt, was sie Ende Jänner schon wortgleich betont hat: Die Entwicklung der Preise werde beobachtet. Merke: Die Koalition bringt zeitnah nicht einmal ein treffsicheres Entlastungspaket für diejenigen zusammen, die’s wirklich brauchen.
Sie ist erledigt: Karl Nehammer zeigt nach einem Vierteljahr als Kanzler keine Ambition, einen Neustart zu versuchen. Es gibt keine Regierungsklausur, um einen solchen auch nur zu signalisieren. Es gibt kein großes Projekt mehr, die ökosoziale Steuerreform ist beschlossen. Einzig ein Transparenzpaket zur Parteienfinanzierung ist noch in der Pipeline. Es könnte jederzeit fixiert werden.
Schon die Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. Einführung einer Informationsfreiheit ist de facto gescheitert. Türkise-, aber auch rote Länder- und Gemeindevertreter wollen es nicht. Dabei wäre es als Teil eines umfassenden Korruptionsbekämpfungspaketes wichtig. Erste Berichte aus dem U-Ausschuss erinnern haarsträubend an geradezu polizeistaatliche Verhältnisse; dass nämlich eine „Soko“ einfach so dazu eingesetzt werden sollte, gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WkSTA) zu ermitteln.
Klar: ÖVP und Grüne kostet es Überwindung, zu bestätigen, dass ihre Koalition am Ende ist. Bei einer Neuwahl würden sie verlieren. Zusammen kommen sie derzeit nur noch auf 34 Prozent, wie eine „profil“-Erhebung von dieser Woche zeigt. Sprich: Sie haben keine längerfristige Perspektive mehr, ihre Koalition hat ein Ablaufdatum. Das ist ganz offensichtlich gesickert bei Nehammer, Kogler und Co., es blockiert sie in ihrem Tun erst recht und führt dazu, dass sich ihre Ausgangslage für einen Urnengang immer weiter verschlechtert.
dieSubstanz.at spricht Sie an? Unterstützen Sie dieSubstanz.at >