Schwindende Öffentlichkeit

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ANALYSE. Die ORF-Sommergespräche hatten heuer weniger Zuseherinnen und Zuseher als im vergangenen Jahr. Das ist nicht nur für den Sender, sondern auch für die Politik alarmierend.

Vordergründig kann der ORF zufrieden sein mit dem Sommergesprächen, die Susanne Schnabl heuer mit den im Parlament vertretenen Parteien geführt hat. Wobei sich das jetzt ausschließlich auf die Quoten bezieht: Sie sind alles in allem so ähnlich ausgefallen wie im vergangenen Jahr. Bei den Vertretern der drei größeren Parteien betrugen sie rund 30 Prozent.

Zu denken geben muss jedoch, dass bei vergleichbaren Quoten zum Teil viel weniger Menschen erreicht wurden. Dass sich also viel weniger Menschen dafür interessierten, was Kanzler und Co. zu sagen haben. Bei Herbert Kickl (FPÖ) waren mit 767.000 Zuseherinnen und Zusehern um fast zehn Prozent weniger dabei, bei Beate Meinl-Reisinger (Neos) mit 533.000 um 13 Prozent weniger und bei Werner Kogler (Grüne) mit 437.000 gar um knapp 30 Prozent weniger.

Für Andreas Babler (SPÖ) und Karl Nehammer (ÖVP) liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Babler dürfte aber eine Ausnahme sein und – mit ungefähr gleich vielen wie Kickl – mehr Zuseherinnen und Zusehern gehabt haben als seine Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner im Sommer 2022. Nehammer muss sich dagegen auf eine bescheidenere Zahl gefasst machen.

Man muss natürlich immer alles Mögliche in Erwägung ziehen und zum Beispiel berücksichtigen, dass Kogler an einem sonnigen Fenstertag (Montag, 14. August) an der Reihe war. Das könnte einiges erklären. In Summe aber spricht viel dafür, dass sich nicht nur das Mediennutzungsverhalten rasant verändert, sondern dass auch das Interesse an Politik eingebrochen ist.

Was mit dem grundsätzlichen Phänomen zusammenhängen könnte, dass eine Masse bemerkenswert politikfern ist: Vor der Landtagswahl in Salzburg im April gab bei einer SORA-Erhebung nur die Hälfte der Befragten an, am Wahlkampf interessiert zu sein. Den Namen von Landeshauptmann Wilfried Hauslauer (ÖVP) konnten nur rund 60 Prozent nennen.

Gut, das ist Landesebene. Bei einer fiktiven Kanzlerdirektwahl kommt aber immer und immer wieder folgendes heraus: Die relativ meisten Befragten – nämlich gut ein Drittel – können weder mit Nehammer noch mit Babler (bzw. vor ihm Rendi-Wagner), Kickl, Meinl-Reisinger oder Kogler etwas anfangen. An der Spitze lagen bei Unique-Research zuletzt Nehammer und Kickl mit gerade einmal je rund 20 Prozent. Das sagt was. Es gibt ein erhebliches Vakuum.

In Verbindung mit der Tatsache, dass bei Sonntagsfragen die FPÖ mit etwa 30 Prozent vorne ist, sollte man im Auge haben, dass das Ganze kritisch werden könnte für die Demokratie: Die FPÖ bietet sich mit Herbert Kickl an der Spitze ja nicht dafür an, im Rahmen des bestehenden Systems, das in der Verfassung festgelegt ist, Veränderungen anzustreben, sondern „dem System“ eine Absage zu erteilen. Also Regierung, Parlament, Parteien etc. Insofern ist Kickl auch konsequent, wenn er nicht Kanzler, sondern Volkskanzler sein möchte. Das läuft auf eine beabsichtige Selbstermächtigung hinaus, im Rahmen eines behaupteten Volkswillens zu tun, was ihm gefällt.

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