ANALYSE. Der Verbleib von Thomas Schmid an der ÖBAG-Spitze ist verhängnisvoll für Sebastian Kurz und Konsorten.
Ganz nüchtern betrachtet gibt es in den kommenden Monaten extrem viel zu tun für die Politik; und zwar auch dann, wenn sich das Infektionsgeschehen beruhigt und eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität möglich werden sollte: Sogenannte Kollateralschäden müssen dann behoben werden. Ein kräftiges Wirtschaftswachstum allein wird nicht ausreichen, damit die explodierte Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen wieder sinkt, das Budget ins Lot kommt, geschweige denn Schülerinnen und Schüler nachholen, was sie versäumt haben. Und überhaupt: Die Klimakrise ist ja auch noch da. Eine ökologische Steuerreform wartet ebenso wie vieles andere mehr.
Der Zustand der türkis-grünen Koalition ist denkbar schlecht im Hinblick auf diese Herausforderungen. Andererseits hat die ÖVP gerade einen Fehler gemacht, der noch schwerwiegende Folgen für sie haben könnte. Sebastian Kurz und Konsorten haben zugelassen, dass ihnen Thomas Schmid bis zum 28. März 2022 als Vorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG erhalten bleibt.
Andererseits: Was hätten sie auch tun sollen? Das Problem ist ja nicht Schmid allein, sondern wir er zu seinem Job kam und vor allem auch, wie er sich mit Unterstützung von Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Gernot Blümel einen Aufsichtsrat zusammenstellte. Gegen eine sofortige Auflösung des Vertrags, die ohne Zweifel angebracht wäre, hätte er durchaus mit Erfolg vorgehen können; dann aber wäre das ganze System hochgegangen.
Jetzt hat Kurz Schmid ein Jahr lang picken; ein Jahr, in dem er mit den Grünen in der Regierung sehr, sehr große Herausforderungen zu bewältigen hätte – und es daher umso fataler für ihn ist, dass er nicht einmal damit drohen kann, im Fall des Falles die Koalitionsfrage zu stellen. Ein Wahlkampf mit diesem Filz, der allein durch Schmids Präsenz besonders stark sichtbar bleibt, ist schwer bis unmöglich für ihn.
Ob Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler weiß, wie stark seine Position gerade werden dürfte? Ob er das ausnützt? Wie katastrophal die Position von Kurz sein könnte, wird deutlich, wenn man auf „Ibiza“ zurückschaut. Immer wieder ist dieser Tage die Rede davon, dass die Chats dem Video mit Heinz-Christian Strache in der unsagbaren Hauptrolle um nichts nachstehen, ohne Bild und Ton aber halt weniger Wirkung entfalten können.
Da ist was dran. Das merkt man, wenn man die Rede liest, die Sebastian Kurz nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos gehalten hat. Werner Kogler könnte sie mit umgekehrten Vorzeichen auf der Stelle aufgreifen; viel verändern müsste er nicht.
Ein Auszug aus der Kurz-Rede vom 18. Mai 2019 im Wortlaut: „Im Sinne der Sacharbeit habe ich nicht bei der ersten Verfehlung die Zusammenarbeit beendet. Aber nach dem gestrigen Video muss ich sagen: Genug ist genug. Auch wenn die Methoden, die an Silberstein erinnern, verachtenswert sind: Der Inhalt ist, wie er ist. Was über mich in diesem Video gesagt wurde, Beschimpfungen und Unterstellungen, ist dabei noch das geringste Problem. Wirklich schwerwiegend sind die Ideen des Machtmissbrauchs und der Umgang mit dem Steuergeld und der Umgang mit der Presse.
Die FPÖ schadet mit ihrem Verhalten unseren Weg der Veränderung. Es ist ein Schaden für das Ansehen unseres Landes und es entspricht auch nicht meinem politischen Zugang, der Republik und den Menschen unseres Landes zu dienen. Vor allem aber habe ich in den Gesprächen mit der FPÖ heute nicht das Gefühl gehabt, dass abseits der Rücktritte es eine wirkliche Bereitschaft gibt für eine tiefgreifende Veränderung auf allen Ebenen der Partei.
Natürlich könnte man jetzt alles Mögliche versuchen, um die eigene Macht abzusichern. Köpfe tauschen, als wäre nichts gewesen, oder einen fliegenden Wechsel zur SPÖ und wieder Stillstand, wie wir es jahrelang in Österreich hatten. Beides ist nicht das, was unser Land jetzt braucht. Und auch für mich ganz persönlich wäre es falsch. Denn ich bin nicht in die Politik gegangen, um ein Amt innezuhaben, sondern etwas daraus zu machen. Mein Ziel ist es einfach, für dieses Land zu arbeiten. Mit meinem politischen Zugang, mit einem Kurs, den die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Aber eben ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und sonstige Skandale.“
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