ANALYSE. Gerne betonen ÖVP-Politiker, auf der richtigen Seite zu stehen und den Angriffskrieg in der Ukraine zu verurteilen. Konsequent ist man dabei jedoch nicht.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist stolz auf die Worte, die ihm sein amerikanischer Amtskollege Antony Blinken vor zwei Wochen über Österreich gesagt hat: „Ihr seid neutral, ohne neutral zu sein.“ Es war wohlwollend gemeint: Man verurteile den russischen Angriffskrieg und sei solidarisch mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung. Laut Nachrichtenmagazin „profil“ wies Schallenberg hinterher gegenüber Journalisten darauf hin, dass man gemessen an der Wirtschaftsleistung Nummer eins sei in Bezug auf humanitäre Hilfe. Wie hier berichtet, könnte das wirklich sein. Bloß: Die Gesamtsumme bisher kommt ungefähr an das heran, was in einem einzigen Spitzenmonat aus Österreich für Gaslieferungen nach Russland fließt – in die Kriegskasse von Wladimir Putin.
Das Gas müsse man nehmen, die OMV sei vertraglich gebunden, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einem ZIB2-Interview sinngemäß, um schließlich auf Puls 24 einzuräumen, dass er den Vertrag gar nicht kennt.
Klar: Die OMV ist ein börsennotiertes Unternehmen und eigenständig, auch wenn die Republik über die ÖBAG mit 31,5 Prozent größte Anteilseignerin ist. Da kann der Kanzler nix machen. Sein Problem ist jedoch, dass man weiß, was Politik alles kann, wenn sie will. Wie Thomas Schmid einst ÖGAB-Chef wurde, ist bekannt. Er wurde es im Übrigen nicht nur, damit er einen gut bezahlten Job erhält, sondern vor allem auch, damit durch ihn türkise Einflussmöglichkeiten gesichert werden.
Wenn Karl Nehammer wollen würde, könnte er mehr: Er wäre nicht der erste Regierungschef, der einen staatsnahen Konzern öffentlich zu etwas auffordert. Zum Beispiel, zu prüfen, wie man nicht nur vertragsgemäß Gas abnehmen muss, das geliefert wird, sondern auch, was man tun kann, wenn Russland (wohl) vertragswidrig mir nichts, dir nichts weniger Gas liefert.
Mit den Lieferverträgen sind politische Interessen verbunden. Das kommt etwa dadurch zum Ausdruck, dass bei der Vertragsunterzeichnung vor viereinhalb Jahren nicht nur die Konzernchefs Alexey Miller (Gasprom) und der (mittlerweile ausgeschiedene) Rainer Seele anwesend waren, sondern auch der russische Präsident Wladimir Putin und der (damalige) Kanzler Sebastian Kurz – dem von Nehammer heute indirekt unterstellt wird, nicht mitbekommen zu haben, was da wirklich fixiert wurde. Das klingt so absurd, dass Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss kein Wort glaubt.
Genauso wenig wie auf die OMV will die ÖVP auf Raiffeisen Einfluss nehmen können. Die „Financial Times“ hat ihr und ihren Russland-Geschäften, die brummen, eine große Geschichte gewidmet. Titel: „How Austria’s Raiffeisen got stuck in Russia — while making record profits“. Der Druck der Regierung auf die Bank sei gebremst, heißt es darin: „Dabei hilft Raiffeisen, dass viele österreichische Abgeordnete und Minister enge Verbindungen zur Bank haben. Raiffeisen gilt als „Hausbank“ der regierenden ÖVP.“ Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Unterstellung, Nehammer und Co. würden hier machen lassen, was sie gerade in Zeiten des Krieges unterbinden müssten.
Die Optik ist verheerend. Aber normal. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper erinnert in einer parlamentarischen Anfrage daran, dass die Nationalbank zuständige Behöre für die Sanktionen gegen Russland ist. Präsident: Harald Mahrer, seines Zeichens Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes sowie Chef der Wirtschaftskammer Österreich, die bei Moskau vor wenigen Wochen ein fröhliches Langlauf-Event veranstalten wollte. Mahrer ist großer Kritiker der Sanktionen. Im September unterstellte er, dass bei ihrer Ausgestaltung „nur mit einer Gehirnhälfte gedacht“ worden sei. Man kann sich nur wundern darüber, dass er sich nicht umgehend aus der Nationalbank zurückzog. Schlicht um nicht einmal die Möglichkeit zuzulassen, dass er in Bezug auf Sanktionen Einfluss nehmen könnte. Offenbar aber denkt er sich nichts bei derlei.
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