Marionettenkabinett

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ANALYSE. Wie Nehmmer tut, was Mikl-Leitner von ihm wünscht, oder Raab umsetzt, was er von ihr verlangt: Realverfassung, die bedrohlich ist.

Am 11. Jänner berichtete unter anderem ORF.AT, die Regierungsspitze meine offenbar, dass wegen der Klebeaktionen von Klimaaktivsten keine gesetzlichen Verschärfungen nötig seien. Bei ihrer Klausur in Mauerbach hätten sowohl Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) als auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf bestehende rechtliche Möglichkeiten verwiesen. Am 13. Jänner ließ Nehammer wissen, er habe Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) den Auftrag erteilt, prüfen zu lassen, ob es Verschärfungen braucht.

Das ist bemerkenswert: Höflich formuliert änderte der Kanzler innerhalb von 48 Stunden seinen Standpunkt. Anders ausgedrückt gehorchte er wieder einmal zeitversetzt der mächtigsten ÖVP-Politikerin, der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Schon im Sommer schritt er, nachdem sie ihn öffentlich ermahnt hatte, zu einer Strompreisbremse.

Der Regierungschef der Republik Österreich als Marionette einer Ländervertreterin? Es ist nicht weit davon entfernt, kommt den Verhältnissen nahe: Nehammer hat nichts vorzuweisen, was ihn – nach der Logik einer Partei – stark machen würde; keinen Wahlerfolg und keine tollen Umfragewerte. Sein Job ist es, dazu beizutragen, dass Mikl-Leitner am 29. Jänner ein passables Wahlergebnis erzielt. Also zu tun, was sie wünscht. Bei der Strompreisbremse hat sie das in aller Deutlichkeit ausgesprochen. Auch jetzt hat er ihr gefolgt – sie drängt schon seit Tagen auf Haftstrafen für Klimaaktivisten.

Hier geht es um die Versammlungsfreiheit, um eine rechtsstaatlich wie demokratiepolitisch hochsensible Frage. Einerseits. Andererseits geht es Mikl-Leitner als Vertretern eines Landes, in dem sich noch nie ein Aktivist auf eine Straße geklebt hat, darum, Stammtischrunden zu gefallen. Und unterm Strich signalisiert Nehammer, dass ihm das wichtiger ist als Demokratie und Rechtsstaat.

Auch die Marionette hat ihre Marionetten. Genauer: Der Kanzler hat keine Richtlinienkompetenz, er kann keinem Regierungsmitglied einen Auftrag erteilen. Indem er behauptet, es zu tun, setzt er sich darüber hinweg, Und indem Karner das im konkreten Fall unwidersprochen lässt, akzeptiert er das.

Wie es Medienministerin Susanne Raab ebenfalls tut: Sie setzt die türkise Medienpolitik um, hinter der in Wirklichkeit noch immer Gerald Fleischmann steht, der ehemalige Sebastian Kurz-Vertraute, den Nehammer zum ÖVP-Kommunikationschef gemacht hat. Das bedeutet: Journalismus wird niedergemacht bzw. in eigener Sache instrumentalisiert.

Siehe ORF Niederösterreich. Raab fühlt sich nicht einmal verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen. Geschweige denn Konsequenzen anzukündigen. Sie ist damit beschäftigt, den ORF insgesamt finanziell zu schwächen sowie eine verstaatliche Journalismusausbildung einzuführen und die Wiener Zeitung einzustellen.

Wie sehr sie bei alledem Marionette ist, sieht man daran, dass sie allenfalls nur immergleiche Sprüche („Das Geld wächst nicht auf den Bäumen“ etc.) dazu von sich gibt und sich im Übrigen an keiner öffentlichen Debatte beteiligt. Dass sie nicht einmal auf kritische Stellungnahmen eingeht, die in Begutachtungsverfahren zu ihren Vorlagen eingebracht werden. Sie erledigt schlicht, was ihr befohlen wird.

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