Hätten S’ gern ein Problem am Brenner?

KOMMENTAR. Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) geht mit der Inszenierung in der Flüchtlingspolitik entschieden zu weit.

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KOMMENTAR. Auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) geht mit der Inszenierung in der Flüchtlingspolitik entschieden zu weit.

Das Innenministerium erkennt derzeit keinen Anlass, Grenzkontrollen am Brenner einzuführen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht das etwas anders: „Wir bereiten uns vor, unsere Brennergrenze zu schützen, wenn es notwendig ist“, ließ er am Dienstag ausgerechnet in Tirol wissen. Womit er sich ganz auf Linie von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) befand, der schon am Wochenende (wieder einmal) via „Kronen Zeitung“ verkündet hatte, gar Radpanzer am wichtigen Alpenübergang auffahren zu lassen.

Allmählich wird die Sache allzu durchsichtig: Kurz und Doskozil wetteifern um das – möglicherweise wahlentscheidende – Sicherheitsbedürfnis der Österreicher. Und das geht am besten so, dass man zunächst eine Bedrohungslage skizziert, die für Beunruhigung sorgt, um dann sogleich zu signalisieren, dass man eh alles tue. Mittelmeerroutenschließung fordern, schweres Geschütz in Stellung bringen und so. Das wirkt beruhigend.

Damit kein Missverständnis entsteht: Die Grenze muss im Fall des Falles geschützt werden. Aber das ist die selbstverständliche Pflicht der zuständigen Organe. Soll heißen: Wenn da jeder Schritt von einem Minister groß in einer Boulevardzeitung dargelegt wird, ist die Sache verdächtig; dann muss es ein zu großes Stück weit allein um Inszenierung gehen.

Und damit auch in einer anderen Hinsicht kein Missverständnis aufkommt: Zu viele Menschen fliehen übers Mittelmehr nach Europa. Zum einen aber muss man sich folglich darum kümmern, dass sie das nicht mehr tun müssen; und zum anderen sollte man die Kirche im Dorf lassen.

85.000 Frauen, Männer und Kinder sind offiziellen Angaben zufolge im ersten Halbjahr nach Italien gekommen. Italien hat 60 Millionen Einwohner. In Österreich wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres vom Innenministerium 10.520 Asylanträge registriert. Von einem Notstand würde aber niemand mehr reden; das sind nämlich nicht einmal mehr halb so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Wie auch immer: Hochgerechnet auf das erste Halbjahr dürfte es in Österreich an die 13.000 Asylanträge gegeben haben (die Juni-Zahlen liegen auf der Website des Innenministeriums noch nicht vor). Österreich hat 8,7 Millionen Einwohner. Auf 670 Einwohner kam also ein Asylantrag. Das ist gar nicht wo weit entfernt von den Verhältnissen, wie sie in Italien derzeit herrschen; auf 706 Einwohner kam dort im ersten Halbjahr eine Person, die übers Mittelmeer dorthin geflüchtet ist. Nicht, dass das kein Problem wäre. Es wirft aber kein vorteilhaftes Licht auf die Vorgangsweise von Doskozil und Kurz. Im Gegenteil.

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