ANALYSE. Der Finanzminister pervertiert ein System, in dem er aufgewachsen ist und in dem Verständnis dafür fehlt, was rein politisch korrupt ist.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ist Mittwochabend als Studiogast in der ZIB 2 des ORF nicht errötet; es schien ihm auch nicht peinlich zu sein, wozu er befragt wurde und was er darauf antwortete. Die Chat-Protokolle, wonach er die ÖBAG schon einmal als „Schmid AG“ bezeichnete, seien quasi nur aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand sei wiederum „professionell“ abgelaufen, alle Aufsichtsräte hätten sich für ihn ausgesprochen.
Was Blümel von sich gab, kann man durchaus als unverschämt bezeichnen. Der 39-Jährige wird das jedoch kaum so sehen, er ist gewissenlos. Er ist Spross eines Systems, in dem Verständnis dafür fehlt, was rein politisch korrupt ist. Schlimmer: Blümel hat nie ein anderes System kennengelernt; für ihn ist das alles ganz normal. Noch schlimmer: Er ist ein Karrierist, der sich vom kleinen Sekretär des ehemaligen ÖVP-Obmannes und damaligen Zweiten Nationalratspräsidenten Michael Spindelegger hochgearbeitet hat. Eine Welt außerhalb der Politik hat er beruflich nie kennengelernt. Wofür soll er von daher brennen? Für Gemein- oder wenigstens Interessen eines Teiles der (Zivil-)Gesellschaft? Das ist schon von seinem Werdegang her schwer bis unmöglich.
Gernot Blümel meint es vielleicht sogar ernst und ehrlich, wenn er findet, dass Thomas Schmid korrekt zum OBAG-Vorstand bestellt worden ist. Es entspricht seinem Erfahrungshorizont. Als Vertreter der ÖVP, die seit 1986 durchgehend in der Bundesregierung sitzt und seit 1945 mehr oder weniger ununterbrochen eine Mehrheit der Bundesländer führt, weiß er wirklich, wie fast alle Lebensbereiche in dieser Republik parteipolitisch durchdrungen sind; bis hin zu den Sportorganisationen. Schwarze haben sich hier lange alles mit Roten geteilt. Türkise teilen eher nichts mehr, sondern lassen zunächst Blaue und nun eben Grüne allenfalls nur dort mitreden, wo es ganz und gar unvermeidlich ist (bei der Bestellung von Verfassungsrichtern oder ORF-Stiftungsräten etwa). Das erklärt möglicherweise auch diesen Übermut, ja diese Unverfrorenheit von Blümel.
„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“, so „Transparency International“ in einer allgemeinen Definition. Man muss präzisieren: Korruption ist die Ausübung von Macht zu einem anderen als dem vorgesehenen Nutzen; also etwa nicht zu dem der Allgemeinheit (wie es bei der ÖBAG der Fall sein sollte), sondern zu dem einer türkisen Clique.
In diesem Sinne handelt es sich auch nicht (unbedingt) um ein strafrechtlich relevantes, sondern um ein politisches Vergehen: Es ist nicht verboten, einen Aufsichtsrat zusammenzustellen, der einem ganz grundsätzlich wohlgesonnen ist; es ist auch nicht strafbar, einem Günstling zu einem einflussreichen Posten zu verhelfen. Man darf das auch mit „saloppen“ Formulierungen tun, wie Blümel findet, oder mit despektierlichen. Der Punkt ist, dass es sich in jedem Fall um Machtmissbrauch handelt.
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