Feindesliste

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ANALYSE. In Deutschland wäre eine staatliche „Islamlandkarte“, wie sie von Integrationsministerin Raab präsentiert worden ist, undenkbar.

Wer öffentlich personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr eines gegen sie gerichteten Verbrechens auszusetzen, „wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Nachsatz: „Handelt es sich um nicht allgemein zugängliche Daten, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe“.

Soweit eine Änderung des Strafgesetzbuches, die von der deutschen Bundesregierung geplant ist. Es handelt sich um eine Reaktion auf sogenannte „Feindeslisten“: „Damit gehen wir klar und entschieden gegen ein Klima der Angst und der Einschüchterung vor, das von Hetzern geschürt wird. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt zum Schutz unserer Demokratie gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“, so Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Konkreter Anlass: Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke stand auf einer „Feindesliste“, bevor ein Neonazi ihn ermordete.

Auch vor diesem Hintergrund wäre es in Deutschland wohl undenkbar, dass im Frühjahr 2021 von einem Regierungsmitglied eine „Islamlandkarte“  präsentiert wird, der nicht nur die Kontaktdaten von hunderten Vereinen zu entnehmen ist, sondern neben einer ausführlicheren Einschätzung bisweilen auch der Name einzelner Vertreter. Eine solche Internetseite würde möglicherweise gegen die geplanten Strafbestimmung verstoßen, jedenfalls aber dem Geist eines Staat widersprechen, der Freiheiten nicht nur zugesteht, sondern auch schützt; was im Übrigen inkludiert, dass er gegen Gefährder vorgeht.

Die „Islamlandkarte“ von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) ist eine Art Feindesliste: In Teilen der Gesellschaft herrscht beträchtliche Islamfeindlichkeit. Davon zeugt etwa die Aussage von FPÖ-Chef Norbert Hofer, wonach der Koran gefährlicher sei als Corona. Oder der Bericht über 1402 islamfeindliche Übergriffe im vergangenen Jahr.

Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, ein ausführliches, öffentliches Verzeichnis islamischer Einrichtungen zu schaffen. Gerade auch, wenn einzelne als Bedrohung für die Allgemeinheit angesehen werden (und daher wohl unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden stehen): Dann können alle andern erst recht nicht gleichrangig mit ihnen auf einer Website präsentiert werden. Das schafft genau den Generalverdacht, den Raab angeblich vermeiden möchte.

Bezeichnend ist, dass hier wieder einmal mehr ausschließlich Muslime Betreffendes geschaffen wird; wie beim Straftatbestand „politischer Islam“, der insofern überflüssig erscheint, als das, was er erfassen soll, ohnehin durch bestehende Strafbestimmungen abgedeckt ist (Terrorismus etc.): Von staatlicher Seite gibt es kein vergleichbares Verzeichnis mit öffentlich bisher nicht einsehbaren Informationen, das andere Gruppen betrifft. Zu ihnen ist es nicht einmal so mir nichts, dir nichts möglich, Allgemeines aus dem Vereinsregister zu erkunden. Hier schützt der Staat entweder sie oder sein Wissen – oder eben beides.

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