ANALYSE. Auszahlungsbetrag von den Lebenserhaltungskosten am Wohnort abhängig zu machen, mag schlüssig klingen. Konsequenterweise müsste das dann aber auf alle Bereiche angewendet werden, die damit vergleichbar sind.
Nachdem sich bereits Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) dazu geäußert hatten, meldete sie sich nun auch die zuständige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) zu Wort: Für Kinder, die im EU-Ausland leben, könnte die Familienbeihilfe demnach an die dortigen Verhältnisse angepasst werden. „Das bringt mehr Fairness und eine deutliche Entlastung des Familienlastenausgleichfonds“, so Karmasin.
Rund 3,2 Milliarden Euro machen die Familienbeihilfen im Jahr aus. Gut 223 Millionen Euro flossen 2014 ins Ausland, weil sich die Kinder der Bezieher ebendort befanden. 24.498 waren das damals. Der überwiegende Teil in Osteuropa, wo die Lebenserhaltungskosten viel niedriger sind als in Österreich, man also wesentlich weniger braucht, um ordentlich über die Runden zu kommen.
Wer die Familienbeihilfe entsprechend anpassen möchte, darf allerdings nicht vergessen, dass er die Leistung zum Teil auch erhöhen müsste: Weil die Lebenserhaltungskosten im Falle der – im Jahr 2014 – 27 Bezieher in Frankreich, 18 in Belgien, zehn in den Niederlanden oder etwa fünf in Schweden höher sind als in Österreich. Etwas weniger dürfte man dagegen bei den 2444 Deutschen gewähren; die Lebenserhaltungskosten sind dort geringfügig niedriger.
Doch das ließe sich lösen. Zunächst wäre eine andere, eine grundsätzliche Frage zu klären: Sie betrifft die Gleichbehandlung von EU-Bürgern. Davon kann man Ausnahmen machen; sie sollten aber sehr gut begründet sein. Und bei der Familienbeihilfe wäre das gar nicht so einfach: Sie wird über den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) finanziert.
Ob jemand viel oder wenig verdient, spielt keine Rolle. Auch die Nationalität tut nichts zur Sache. Der Beitragssatz bleibt unverändert.
Und der FLAF wird über Beiträge gespeist, die einkommensabhängig sind: Ein fixer Teil des Bruttolohnes fließt in den Fonds. Ob jemand viel oder wenig verdient, spielt keine Rolle. Auch die Nationalität tut nichts zur Sache. Der Beitragssatz bleibt unverändert.
So gesehen wäre es nicht schlüssig, auf der Einnahmenseite alle gleich, auf der Ausgabenseite aber einige gleicher zu behandeln. Anders ausgedrückt: Warum soll ein Ungar weniger bekommen als ein Österreicher, nur weil sein Kind z.B. in Budapest wohnt?
Wird eine solche Bedarfsabhängigkeit als entscheidendes Kriterium eingeführt, muss sie jedenfalls auch in anderen Bereichen angewendet werden. Beispiel: Die Wohnbauförderung wird ebenfalls über einkommensabhängige Beiträge finanziert. Bei der Förderung selbst wird aber nicht weiter Rücksicht darauf genommen, wie viel jemand verdient bzw. braucht.
Der Bezieher lebt in Rumänien? Oder auf einer Südsee-Insel? Wie es ihm gefällt – die Pension wird weltweit in angewiesen, die Höhe bleibt unverändert.
Viel brisanter noch wäre eine Anwendung der diskutierten Familienbeihilfen-Logik freilich bei den Pensionen: Sie bemessen sich an den Versicherungsbeiträgen, die ein Bezieher im Laufe seines Erwerbslebens eingezahlt hat. Wo er die Pension eines Tages bezieht, spielt keine Rolle. In Rumänien? Oder auf einer Südsee-Insel? Wie es ihm gefällt – die Pension wird weltweit angewiesen. Und zwar unabhängig von den Lebenserhaltungskosten am Aufenthaltsort. Die Höhe bleibt unverändert.