ANALYSE. Gerade auch bei vielem von dem, was die türkis-grüne Regierung zusammenbringt, sollte man zweimal hinschauen. Das Ergebnis passt zu den Umfragewerten.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe ein Problem: Er sei bemüht, das komme aber nicht an bei den Leuten. Ähnlich gehe es der Regierung insgesamt, heißt es da und dort. In der Tageszeitung „Die Presse“ versuchte ein Leitartikler unlängst zu ergründen, warum sie eigentlich so unbeliebt sei: Die inhaltliche Bilanz könne sich sehen lassen. „Nur einige Beispiele: Ein Projekt von der Tragweite der Abschaffung der kalten Progression hat das Land lang nicht gesehen, dazu kommen Sozialleistungsanpassungen, Ökomeilensteine, Pflegemilliarden, neue Parteiregeln und zuhauf Antiteuerungspakete. Es werden Rekordsummen in Bahn und Ökologisierung gesteckt, ganz zu schweigen von der Steuerreform.“
Die Beispiele sind gut gewählt: Es handelt sich überwiegend um Maßnahmen, die nicht gedeckt sind. Die Abschaffung der kalten Progression mag man begrüßen. Wo aber sind die Strukturreformen, die begleitend dazu nötig wären, um sie, aber auch die Pflegemilliarde und vieles andere mehr zu finanzieren? Sie wären umso wichtiger, als ja auch bei den Pensionen, bei der Landesverteidigung oder bei den Zinsen steigende Kosten verzeichnet oder zugelassen werden. Darauf würde es ankommen, das wäre dann echte Leistung. Aber es einfach nur auf größere Budgetprobleme ankommen lassen?
Von daher spricht es sogar für die vielen Bürgerinnen und Bürger, die bei Umfragen noch nicht zufrieden sind, denen die Leistungsbilanz Punkt für Punkt schlicht unzureichend ist.
Oder: Vielleicht werden viele Hilfspakete seit Beginn der Coronapandemie – „Koste es, was es wolle“ – schlicht zu groß geschnürt, werden Gelder zu undifferenziert vergeben. Der Budgetdienst des Parlaments hat dies anhand von Einmalzahlungen in einer sehr schönen Grafik dargestellt: In der Pandemie gingen demnach gut die Hälfte aller Einmalzahlungen an die breite Bevölkerung, bei der Teuerung sind es gut drei Viertel.
Sehr wahrscheinlich macht dieser Regierung aber zu schaffen, dass Sebastian Kurz jeglichen Vertrauensvorschuss verspielt hat; dass er ursprünglich von sehr vielen Menschen in der Hoffnung auf eine saubere Politik mit einem neuen Stil gewählt worden war, die dann aber durch all die Angriffe auf die Justiz sowie durch die Korruptionsaffären nur umso mehr enttäuscht wurden; und dass Karl Nehammer nun nicht nur keine Bereitschaft zu einem Schnitt zeigt, sondern mit Gerald Fleischmann ausgerechnet den Mr. Message Control zurückholt.
Im Übrigen ist halt gerade auch eine längere Liste gescheiterter Vorhaben der Regierung zusammengekommen. „In den vergangenen Tagen wurde offenkundig, was alles nicht mehr geht. Die Reform der Arbeitslosenversicherung ist gescheitert. Die im Frühjahr großspurig angekündigte Reform der Maklergebühr wird nicht im Jänner Realität. Auch das klimapolitisch wichtige Erneuerbare-Wärme-Gesetz wird so rasch nicht kommen. Das Klimaschutzgesetz hat die lange Bank noch gar nicht verlassen, der Bundesstaatsanwalt wurde dorthin verbannt“, schreibt Michael Sprenger in der „Tiroler Tageszeitung“ und schließt seinen Kommentar mit den Worten: „Diese Koalition ist am Ende. Sie weiß es nur noch nicht.“