Außen- und Europapolitik zum Abwinken

ANALYSE. Österreich hat im Umgang mit Russland ein erhöhtes Glaubwürdigkeitsproblem und ist dabei, den EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr zu verbauen.

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ANALYSE. Österreich hat im Umgang mit Russland ein erhöhtes Glaubwürdigkeitsproblem und ist dabei, den EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr zu verbauen.

Ob man es jetzt Kalten Krieg II, III oder 4.0 nennt, ist nebensächlich. In einem „Krieg“ sollte man ganz grundsätzlich verstärktes Misstrauen walten lassen: Steckt wirklich Russland hinter dem Giftanschlag auf einem früheren Doppelagenten im britischen Salisbury? Der Russland-Experte Gerhard Mangott hat auf Twitter einen wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang angesprochen: „Die Öffentlichkeit weiß letztlich nichts, es werden keinerlei Beweise offengelegt.“

So gesehen hat Österreich gute Gründe, zurückhaltend zu sein. Oder auch nicht: Es ist schon bemerkenswert, dass die Alpenrepublik im Kreise der übrigen EU-Mitgliedsstaaten vor wenigen Tagen auf dem Gipfel in Brüssel zugestimmt hat, dass Russland „höchstwahrscheinlich“ für den Anschlag verantwortlich sei.

Wenn z.B. deutsche Geheimdienstler die Zusammenarbeit mit Österreich prüfen, muss man befürchten, dass Wien nicht alles erfährt.

Und überhaupt: Man muss aufpassen, dass man sich nicht zu sehr ins Ungewisse versteigt. Aber wenn z.B. deutsche Geheimdienstler die Zusammenarbeit mit ihren österreichischen Kollegen aufgrund der bekannten BVT-Affäre prüfen, dann kann man annehmen, dass sie im Informationsaustausch eine gewisse Vorsicht walten lassen; dass man sich in Wien also zumindest nicht sicher sein kann, dass man noch alles erfährt. Eine ganz heikle Sache.

Zumal im Übrigen ja weltweit zu lesen ist, wie Russland seine Fühler ausstrecke in Richtung Protestparteien im Ausland; und dass, wie etwa der „Economist“ vor wenigen Wochen wieder einmal erwähnte, die Partei von Wladimir Putin dabei auch eine Vereinbarung mit der österreichischen FPÖ abgeschlossen hat; die sich nun ja in Regierungsverantwortung befindet.

Die Glaubwürdigkeit der österreichischen Außenpolitik stärkt das nicht. Und wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Zurückhaltung gegenüber Russland nun mit der Neutralität begründet, dann muss man das nicht weiter kommentieren. Sein Parteifreund Othmar Karas hat das bereits getan: Österreich habe nach dem EU-Beitritt 1995 auch in der Verfassung klargestellt, dass es in der Union nicht neutral, sondern solidarisch sei. Neutralität könne im vorliegenden Fall also kein Argument sein, so Karas: „Sorry!“

Vergleichbares wäre bei Putin-Fans schwer vorstellbar. Und das ist das Problem: Österreich hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Österreich läuft Gefahr, sich selbst in dieser Sache nicht in die vorgegebene Vermittlerrolle zwischen Moskau und Brüssel, sondern allenfalls in eine Botenrolle zu begeben. Zu Putin hat man ja einen ausgezeichneten Draht; demnächst ist er in Wien. Und mit ihm pflegt man ja überhaupt einen ganz anderen Umgang als zum Beispiel mit Recep Tayyip Erdoğan. Nachdem dessen Anhänger vor eineinhalb Jahren zu dessen Unterstützung in Wien auf die Straße gegangen waren, legte Kurz ihnen als damaliger Außenminister nahe, Österreich zu verlassen. Vergleichbares wäre im Falle von Putin-Fans wohl eher schwer vorstellbar.

Und genau das ist das Problem: Österreich hat ein veritables Glaubwürdigkeitsproblem auf internationaler Bühne. Wenn es also russische Diplomaten nicht ausweist, kann es zwar zurecht darauf verweisen, dass es aufgrund seines Informationsstandes keinen Anlass dazu sehe. Es kann aber auch ein ganz anderes Motiv dahinterstehen. Was weiß man. Für den EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 sind das jedenfalls denkbar schlechte Voraussetzungen.

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