Ausgereizt

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ANALYSE. Den Grünen wird es unmöglich gemacht, die Justiz ausreichend zu schützen. Und: Es bleibt an ihnen, diese Regierung zu beenden.

Die politische Kultur sei beklagenswert, es werde ständig mit Anzeigen gearbeitet, sprach Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz vor einigen Wochen. Diese Woche ist es sogar gegen Staatsanwälte gegangen. Und zwar nicht durch Rote oder Blaue, sondern durch Türkise; durch Leute von Sebastian Kurz also: „Wir sind gerade dabei, gemeinsam mit juristischen Experten das vorhandene Substrat zu bewerten und dann zu entscheiden, ob eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauch gegen einzelne Staatsanwälte notwendig ist“, ließ ÖVP-U-Ausschuss-Vertreter Andreas Hanger im „Kurier“ wissen. Sprich: Es ist wirklich so, wie Kurz gesagt hat, es wird mit Anzeigen gearbeitet.

Wie die Verhältnisse aus Sicht der Justiz erscheinen, hat Bernhard Weratschnig von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Mittwoch im Ausschuss geschildert: Der öffentliche Druck auf die Ermittler sei sehr groß. Von der Dienstaufsicht gehe „Repression“ aus. Plötzlich gebe es eine Fülle dienstaufsichtsbehördlicher Prüfungen. Vieles von dem, was vorfalle, hätte er, Wertaschnig, bisher nicht für möglich gehalten. Und ja, seinen Angaben zufolge wird auch mit Anzeigen gearbeitet.

Die Vereinigung der Staatsanwälte verwehrt sich „einmal mehr“ gegen Einschüchterungsversuche: Das unterstreicht, dass ein sehr gutes, aber halt letztes Argument der Grünen für die Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP in sich zusammenbricht: Es ist ihnen nicht mehr möglich, über die Führung des Ministeriums sicherzustellen, dass die Justiz in Ruhe arbeiten und rechtsstaatliche Verhältnisse gewährleisten kann. Sie können nur Schlimmeres verhindern.

Das ist nicht genug und auch nicht ihre Schuld. Es ist viel mehr so, dass Sebastian Kurz um seine politische Existenz kämpft. Dabei geht es um sehr viel. Nicht nur, dass sich der junge Mann wohl auch selbst bis vor wenigen Monaten als Ausnahmeerscheinung sah, dem die Kanzlerschaft auf Jahre hinaus nicht zu nehmen sein würde. Mit ihm zittern auch viele um Macht und Geld. Kurz nimmt in diesem Kampf immer weniger Rücksicht auf Verluste. Auch die Grünen „dürfen“ unter die Räder kommen. Nach SPÖ (2017) und FPÖ (2019) wären sie nicht sein erstes Opfer.

Selbst beenden kann Sebastian Kurz diese Zusammenarbeit nicht. Die Erzählung, wonach es ausschließlich darum gehe, ihn zu stürzen, kann er für einen allfälligen Wahlkampf nur dann halten, wenn Werner Kogler aufsteht und sagt „Genug ist genug.“

Die Leidensfähigkeit der Grünen ist schon ganz schön strapaziert worden. Man erinnere sich an die Abschiebung integrierter Schülerinnen mitten in der Nacht oder die Nicht-Aufnahme von Kindern aus griechischen Lagern. Oder – ganz aktuell – den Versuch von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), im Einklang mit der Wirtschaftskammer Stimmung gegen eine Ökologisierung des Steuersystems zu machen, ohne auch nur ein Alternativprogramm zur Erreichung von Klimazielen vorzulegen. Was in Summe eine Botschaft ergibt: Mit der ÖVP ist hier nichts zu machen.

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