Alles egal

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ANALYSE. Die Partei von Harald Mahrer darf auch dessen Nachfolger als Nationalbankpräsident bestimmen. Logisch ist das nicht.

Die Funktion des Präsidenten des Generalrats der Nationalbank muss man nicht überbewerten. Wesentlich ist der Gouverneur (Martin Kocher), der dem Direktorium vorsteht. Dieser sitzt auch im Rat der Europäischen Zentralbank, der die gemeinsame Geldpolitik für den Euroraum festlegt. Der Präsident überwacht lediglich die Geschäfte, „die nicht in den Aufgabenbereich des Europäischen Systems der Zentralbanken fallen“. Im Übrigen berät er das Direktorium in Angelegenheiten der Geschäftsführung und der Währungspolitik, wie es hier heißt.

Dass der ehemalige EU-Kommissar Johannes Hahn mit 1. Jänner Nationalbankpräsident wird, ist trotzdem eine Geschichte. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) zeigt sich erfreut über die Bestellung. Als habe sich Hahn aufgrund seiner Qualifikation durchgesetzt. Was nicht der Fall ist: Entscheidend ist, dass der ehemalige Wissenschaftsminister und ÖVP-Wien-Chef eben aus den Reihen der Volkspartei kommt. Dass er fachlich geeignet sein dürfte für den Job, ist zweitrangig.

Die Parteizugehörigkeit ist kein Ausschließungsgrund. Es macht die Sache aber auch nicht besser, dass die Nominierung, wie Neos-Chefin, Außenministerin Beate Meinl-Reisinger betont, transparent verlaufen und das Vorschlagsrecht der ÖVP zugefallen sei.

Korrekt ist: Das ist kein gesetzlich verbrieftes Recht. Es ist ein Recht, das SPÖ und Neos der Volkspartei zugestanden und in der Koalitionsvereinbarung festgehalten haben. Das ist ein großer Unterschied: Einklagen könnten es Stocker und Co. nicht.

Es handelt sich, salopp formuliert, um offen praktizierten Postenschacher: Das Vorschlagsrecht für den Präsidenten des OeNB-Generalrats liegt beim Bundeskanzler (ÖVP), das für den Vizepräsidenten beim Vizekanzler (Andreas Babler, SPÖ) und so weiter und so fort.

Beim Begriff Postenschacher könnte es klingeln. Zumindest bei SPÖ und Neos, wenn die ÖVP schon kein Problem damit hat. Wenn sie sich schon infolge der Causa Wöginger nicht gezwungen sieht, Konsequenzen zu ziehen und zu einer Praxis überzugehen, die dafür empfänglichen Österreicherinnen und Österreichern zeigt: „Okay, die Partei hat verstanden und sorgt neuerdings dafür, dass es auf die Qualifikation ankommt. Nicht aufs Parteibuch.“

Zumal das vermeintliche Recht auf Postenschacher, das sich die Regierungsparteien durch entsprechende Festlegungen in der Koalitionsvereinbarung gegeben haben, gerade auch in Frage gestellt worden ist: Mit Recht von ähnlicher Qualität hat die ÖVP vor sieben Jahren Harald Mahrer als Nationalbankpräsident durchgesetzt. Er hatte so viele Funktionen, dass er diese nur nebenbei bekleiden konnte und letzten Endes aus bekannten Gründen zurücktreten musste.

Insofern ist es nicht selbstverständlich, dass die ÖVP so ganz selbstverständlich auch den Nachfolger bestimmen darf; dass ihr das von Sozialdemokraten und Neos zugestanden wird. Im Gegenteil, es zeigt, wie viel in Österreich weiterhin egal bleibt: Wöginger musste nicht aus politischen Gründen gehen, die ÖVP kann ihr „Recht“, den Nationalbankpräsidenten zu nominieren, nicht verwirken, sondern darf weitermachen wie bisher.

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