Zum Fürchten

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ANALYSE. Nationalratspräsident Rosenkranz rollt Orban den Teppich aus. Warum das kein bloßer Akt der Höflichkeit ist.

„Es braucht sich das jüdische Leben in Österreich vor mir absolut nicht zu fürchten“, sprach Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) am Montagabend in der ZIB 2. Ein fürchterlicher Satz. Wer ist „das jüdische Leben“? Muss man abgesehen davon nicht erst recht auf der Hut sein, wenn einer sagt, man müsse sich vor ihm nicht fürchten? Gerade wenn er sich freundlich gibt?

Rosenkranz meint es nicht böse. Und das ist eben auch schon das nächste: Es ist für ihn ein Akt der Höflichkeit, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu empfangen, wenn dieser schon einmal in Wien ist. Dann gehört sich das. Behauptet Rosenkranz.

Bei einem der höchsten Repräsentanten des Landes kann man das nicht durchgehen lassen. Viktor Orban agiert seit Jahren gezielt antisemitisch: „Egal, ob es um die steigende Zahl der Geflüchteten ging, um Minderheiten in Ungarn, die ihre Recht einforderten oder um den Gegenwind aus Brüssel, was den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn betrifft – immer war irgendwie Soros schuld, der vermeintlich gegen Ungarn intrigierte“. Die Rede ist von George Soros, dem Philanthropen, den bzw. dessen Wirken Orban schließlich aus dem Land vertrieben hat.

Einen vergangenen und den amtierenden Bundeskanzler dieser Republik, Sebastian Kurz und Karl Nehammer (beide ÖVP), hinderte derlei nicht, in Asylfragen den Schulterschluss mit Orban zu suchen. Heute kommt Nehammer aber zumindest nicht mehr auf die Idee, Orban zu treffen, wenn er schon (wieder) einmal in Wien ist.

Orban hat sich in den vergangenen Monaten weiter radikalisiert, ist auf europäischer Ebene ein Bündnis unter anderem mit Herbert Kickl und der FPÖ eingegangen, der eben auch Rosenkranz angehört. Er hat seine Landsleute aufgerufen, Widerstand gegen die EU zu leisten wie sie es einst beim Aufstand gegen die Kommunisten und die Sowjets getan hätten. So etwas kann man nicht erfinden, das ist kein Ausrutscher. Am Sonntagabend ist er nach Georgien geflogen, um nach einer unsauberen Wahl und Protesten der pro-russischen Regierung Rückendeckung zu geben. Als wäre er Wladimir Putins Mann in Europa. Was er in gewisser Weise ja wirklich ist.

Bei dieser Reise in den Kaukasus ließ er auch den Satz fallen, Georgien sei „ein konservativer, christlicher und proeuropäischer Staat“. Damit hat er allerhand gesagt. Illiberaler geht’s kaum. „Christlicher Staat“ steht für Staatskirche, Staatsreligion. Nämlich die einzige. „Christlicher Staat“ ist einst sogar der NZZ zu weit gegangen: Politik vertrage nur so viel Religion, wie der Ungläubige akzeptieren könne, notierte sie dazu.

In Wirklichkeit geht es Orban nicht darum, das Christentum, geschweige denn Christliches hochzuhalten, sondern wie Kickl ein vermeintlich einzig Wahres zu entwickeln, das als Grundlage dafür dienen soll, gegen Andersseiende oder Andersdenkende vorzugehen. Sei es, weil sie Muslime oder Linke sind; oder sei es, weil sie einen „Volkskanzler“ nicht anerkennen und damit auch schon auf einer „Fahndungsliste“ stehen. Als sogenannte „Volksverräter“.

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