ANALYSE. Sebastian Kurz ist die Kontrolle entglitten. Freiheitliche bestimmen den politischen Diskurs. Und wie.
Was sich in der Politik tut? Der nö. FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer überlegt mit seinen Parteifreunden noch, ob er Landesrat werden soll oder nicht. Zuvor hat Johanna Mikl-Leitner die ÖVP-Absolute gesichert. Wobei ihr wohl auch zugute kam, dass sie sich klar von Landbauer distanziert hatte. Womit wir wieder bei dem Freiheitlichen wären. Zwischendurch wird die Familienbeihilfe für Fremde gekürzt und ein neues Deutschprogramm für Kinder mit sprachlichen Defiziten aufgelegt. Wobei nicht alles schlecht ist, um nicht missverstanden zu werden. Aber es geht schon wieder weiter: Freiheitliche Jugendliche rufen in sozialen Medien dazu auf, eine „Standard“-Redakteurin zu mobben; und der Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein fordert einen Maulkorberlass für „politisierende“ ORF-Mitarbeiter – sie würden den öffentlich-rechtlichen Auftrag mit Füßen treten.
Dem Chef ist da ganz offensichtlich die Kontrolle entglitten: Unterstellen, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) all das recht ist, sollte man jedenfalls nicht. Wie man meinen würde. Immerhin betont er selbst, dass man Schwarz-Blau an den Taten messen sollte. Also können ihm die Taten, die passieren, gar nicht recht sein; sie zerstören das Projekt viel eher.
Sebastian Kurz hätte viele Gründe, aktiv zu werden; und sei es nur der eine, seine Karriere als Kanzler zu sichern.
In der Vergangenheit hat sich Kurz vielleicht zu sehr auf zwei Dinge konzentriert: Die ÖVP zu übernehmen und endlich so aufzustellen, dass er ungestört Bundespolitik machen kann. Und den Freiheitlichen möglichst viele Wähler abzuwerben, die diese infolge der Flüchtlingskrise dabei war, zu gewinnen. Beides ist ihm bravourös geglückt, kein Zweifel.
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Jetzt ginge es halt darum, mit den Freiheitlichen eine gewisse Erneuerung des Landes anzugehen. Doch da hapert es: Zum einen bleibt ungewiss, wo Kurz die Republik eigentlich genau hinführen möchte. Weniger Steuern und Abgaben sind grundsätzlich gut. Das würde aber auch eine Pensionsreform voraussetzen, wie sie im Regierungsprogramm nicht einmal ansatzweise enthalten ist. Oder eine Kürzung anderer staatlicher Leistungen. Aber großer. Sonst geht sich das nicht aus. Symbolische Maßnahmen, wie die Kürzung der Familienbeihilfen, haben nämlich bloß diese Wirkung: eine symbolische.
Viel schlimmer noch ist aber, dass diese inhaltliche Auseinandersetzung durch die erwähnten Vorgänge (und andere mehr) überlagert wird. Und dass Kurz ihnen ziemlich ohnmächtig gegenübersteht: Dass die Liedtexte von Udo Landbauers „Germania“ rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig sind, wie er feststellte, ist klar. Wo aber bleiben die politischen Konsequenzen? Was setzt Kurz gegen die Hetze, die Vertreter seines Regierungspartners nicht zuletzt gegen Journalisten betreiben? Er hätte viele Gründe, aktiv zu werden; und sei es nur der eine, seine Karriere als Kanzler zu sichern.
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