Wirtschaftskammer durchkreuzt Mitterlehners „Mut“-Programm

ANALYSE. Die große Gewerbereform bleibt aus. Damit hat sich die Hoffnungs-Kampagne des ÖVP-Chefs auch schon wieder erledigt.

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ANALYSE. Die große Gewerbereform bleibt aus. Damit hat sich die Hoffnungs-Kampagne des ÖVP-Chefs auch schon wieder erledigt.

Das Wort „Entfesselung“, das sein Vorgänger gewählt hatte, hat sich ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner verkniffen; zu peinlich wäre das angesichts der Verhältnisse und vor allem der Unmöglichkeit gewesen, sie zu ändern. Mitterlehner ließ sich stattdessen, beraten von Leuten wie dem Werbeprofi Luigi Schober, etwas anderes einfallen. Weil Mitbewerber nur schwarz malen und immer mehr Leute in schiere Depression verfallen, wenn sie an die Zukunft denken, wollte er sich bewusst anders positionieren: „Mut gegen Angst“, lautet sein Credo – auch im Hinblick auf die kommenden Nationalratswahlen. Grundsätzlich ist das klug. In der Praxis kann das in seinem Fall jedoch nicht funktionieren: Wer will, dass etwas weitergeht, muss Rahmenbedingungen dafür schaffen; zum Beispiel, indem er das Unternehmertum fördert und dazu ganz besonders das Gewerberecht entrümpelt. Dazu aber braucht er das Einverständnis der ÖVP-geführten Wirtschaftskammer; oder er legt es auf einen Kraftakt gegen sie an. Ersteres ist illusorisch; zu zweiterem ist Mitterlehner zu schwach.

Was kafkaesk bis schikanös klingt, soll die Wirtschaftskammer denkmalschützen.

Der Wirtschaftskammer geht es finanziell gesehen ausgezeichnet: Ihre Einnahmen – inkl. jenen der Landesorganisationen – sind von 2004 bis 2014 um mehr als ein Drittel auf 676 Millionen Euro gestiegen. Das lässt sich aus Anfragebeantwortungen errechnen, um die sich der NEOS-Abgeordnete Sepp Schellhorn bei Mitterlehner bemüht hatte. Schellhorn ist Hotelier in Salzburg und benötigt als solcher sechs Gewerbescheine, wie er der „Krone“ im heurigen Sommer verriet: „einen für das Hotel, einen für Bar und Café, einen fürs Restaurant, einen für den Hotelwagen, um Gäste vom Bahnhof abholen zu dürfen, einen als Tour-Operator und einen als Reisebüro, um den Gästen Pauschalangebote bieten zu können“. Was kafkaesk bis schikanös klingt, dient ganz besonders der Wirtschaftskammer: Sie kassiert da nicht pro Unternehmen, sondern pro Gewerbeschein.

Summa summarum benötigen 610.000 Gewerbetreibende mehr als 800.000 Gewerbescheine

Summa summarum benötigen 610.000 Gewerbetreibende mehr als 800.000 Gewerbescheine. Viel ändern wird sich daran nicht. Begründung laut ORF-Morgenjournal: Die Wirtschaftskammer würde Geld verlieren. Soll heißen: Ein System, das das Unternehmertum behindert, muss im Wesentlichen bleiben, damit es die Wirtschaftskammer weiterhin gut geben kann. Eine Art Denkmalschutz also. Das verstehe, von ihrem Präsidenten, dem ÖVP-Vorstandsmitglied Christoph Leitl abgesehen, wer will. Vernünftig ist es nicht.

Neben WKO-Präsident Leitl dürfen sich die NEOS freuen: Sie haben ihr Wahlkampfthema

Und Reinhold Mitterlehner kann nichts dagegen ausrichten; er stolpert quasi über seine eigenen Parteifreunde. Was ihn irgendwie mutlos machen muss. Und neben Leitl und Co. nur eine Gruppe freuen kann: Die NEOS haben das Thema, das sie für die nächste Nationalratswahl so dringend brauchen; sie können sich als die einzige glaubwürdige Alternative für alle Selbstständigen in diesem Land hervortun.

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