Wir wählen das Falsche

ANALYSE. Die Real- hat sich von der Verfassung verabschiedet, der Nationalrat spielt am 15. Oktober nur noch eine Nebenrolle. 

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ANALYSE. Die Real- hat sich von der Verfassung verabschiedet, der Nationalrat spielt am 15. Oktober nur noch eine Nebenrolle.

Die Regierungsspitze sollte vom Wähler gewählt werden. Sagte ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz Sonntagabend in der Elefantenrunde auf Puls 4. Und damit hat er nicht etwa eine Verfassungsreform gefordert, sondern die Verhältnisse so dargestellt, wie er sie aus guten Gründen versteht: Die Österreicher bekommen dieser Tage permanent mitgeteilt, worum es am 15. Oktober geht. Den nächsten Kanzler nämlich und nebenbei die Koalition. Wobei letzteres dann ziemlich willkürlich ausgelegt wird: So ist davon auszugehen, dass SPÖ und ÖVP zusammen zwar zulegen werden. Daraus aber wird kaum jemand schließen wollen, dass die Große Koalition „bitteschön“ wieder einmal bestätigt worden sei (bei Verlusten würde man dagegen in jedem Fall feststellen, dass sie „abgewählt“ worden sei).

Wie auch immer: Laut Kurz kann es nicht sein, dass der Kanzler bei der letzten Wahl noch nicht einmal in der Politik war. Und auch er nur Außenminister, aber nicht De-Facto-Vizekanzler war. Was eigentlich kein Problem darstellen würde. Aber eben nicht mehr dem entspricht, wie es sich der allgemeinen Überzeugung zufolge gehört.

Womit der Nationalrat in der Hackordnung noch weiter zurückgesetzt und unter Umständen gar nur zu einem Beirat degradiert wird.

Ja, man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Die Realverfassung, die die Verhältnisse umschreibt, wie sie sind, hat sich so weit eingebettet, dass kein Mensch mehr an die Verfassung denkt. Demnach würde es am 15. Oktober natürlich schon viel eher um den Nationalrat gehen. Im Namen des Volkes würde dieser schließlich Gesetzgebung und Kontrolle ausüben. Und die Regierung hätte mehr eine dienende, eine ausführende Funktion. Sie wäre dem Nationalrat denn auch jedenfalls Rechenschaft schuldig.

Nicht, dass man sich in der Vergangenheit streng daran gehalten hätte. Im Gegenteil, man denke im Übrigen an die rot-schwarze Schattenregierung namens Sozialpartnerschaft. Nie aber ist der Weg zu einer Staatsreform, die die bestehende Verfassung zu einem wesentlichen Teil entsorgt, so offensichtlich gewesen. Kurz will das Kanzleramt stärken (Stichwort Richtlinienkompetenz). Und die Freiheitlichen haben gleich ein Demokratiepaket, „Volksgesetzgebung“ inklusive, zu ihrer Koalitionsbedingung erklärt. Womit der Nationalrat in der Hackordnung noch weiter zurückgesetzt und unter Umständen gar nur zu einem Beirat degradiert werden würde.

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