Wie sich die ÖVP in der Kulturpolitik selbst schubladisiert

ANALYSE. „Wir dürfen nicht Hochkultur gegen Volkskultur ausspielen“, heißt es im Wahlprogramm: Wer ist „wir“? Und wer verwendet solche Begriffe? 

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ANALYSE. „Wir dürfen nicht Hochkultur gegen Volkskultur ausspielen“, heißt es im Wahlprogramm: Wer ist „wir“? Und wer verwendet solche Begriffe?

Im ÖVP-Grundsatzprogramm vom April 2015 ist Kunst- und Kulturpolitik noch ziemlich weit gefasst: „Wir verstehen Kunst und Kultur als perspektivenerweiternd und identitätsstiftend“, heißt es da: „Freiheit und Vielfalt von Kunst und Kultur sind Grundlage und wesentliche Voraussetzung für unsere Gesellschaft.“ Ansatzweise findet sie sich dieser Zugang nun auch im Wahlprogramm des „Neuen Volkspartei“ von Sebastian Kurz: „Die Freiheit und Vielfalt von Kunst und Kultur sind eine tragende Säule für unsere Gesellschaft; sie wirkt perspektivenerweiternd, identitätsstiftend und verbindend“, steht da zunächst. Doch dann kommt es zu einer bemerkenswerten Vertiefung oder Verengung; wie immer man will.

Zitat: „Wir müssen allerdings in unserem Kulturverständnis vom Schubladendenken wegkommen. Wir dürfen nicht Hochkultur gegen Volkskultur ausspielen oder Moderne gegen Tradition. Denn es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander – oder aber um spannende Gegensätze.“

Wer ein Werk schafft, das nicht so einfach reingeht, wird kaum sagen: „Sorry, kleiner Mann, das ist jetzt Hochkultur.“

Man kann diese Formulierung immer und immer wieder lesen und kommt nicht umhin, sich immer und immer wieder zu fragen: Wer betreibt da ein „Schulbladendenken“? Wer spielt „Hochkultur gegen Volkskultur“aus? Beziehungsweise „Moderne gegen Tradition“? Ja, man muss noch weiter gehen: Was ist „Hochkultur“ eigentlich für ein unsäglicher Begriff?

Wer ein Werk schafft, das – um es an dieser Stelle bewusst umgangssprachlich zu formulieren – nicht so einfach reingeht, wird kaum sagen: „Sorry, kleiner Mann, das ist jetzt Hochkultur.“ Auch der Leser oder Betrachter wird normalerweise kaum erklären, dass man schon so gebildet sein müsse wie er, um das Werk zu verstehen. Es ist viel eher umgekehrt: Wer von Hochkultur spricht, meint in der Regel etwas, was ihm nicht zugänglich ist und womit er daher nichts anfangen kann oder will; oft ist es daher verächtlich, ablehnend oder gar kämpferisch gemeint.

Umso bemerkenswerter ist, dass diese „Schubladisierung“ im Wahlprogramm erst stattfindet; und zweitens ohne jede Differenzierung behauptet wird, „wir“ würden sie betreiben – also alle. Wogegen man sich verwehren muss.

Doch damit nicht genug: Indem die Volkspartei ein „Neues Leitbild – für junge Talente und alte Schätze“ ankündigt, stellt sie eine Art Kriterienkatalog in Aussicht, was „passt“ und was „nicht passt“. Was schon einmal ganz grundsätzlich immer auch eine Gefahr in sich birgt; vor allem aber in einem Bereich, in den der größtmögliche Freiheitsbegriff gewährleistet sein muss.

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