ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende lässt immer schwereres Geschütz gegen seine Kritiker auffahren. Und treibt damit die Spaltung der Sozialdemokratie voran.
„Wir sind Mitglieder der SPÖ und wir wollen für die nächsten Jahre und die nächsten Wahlen eine erneuerte SPÖ schaffen“, heißt es in der Erklärung: Und dann folgt das, worum es geht; eine Rücktrittsaufforderung an den Parteivorsitzenden: „Lieber Genosse Faymann, dafür bist Du aus vielen Gründen nicht mehr der Richtige. Es ist Zeit für Dich zu gehen“.
Die Erklärung könnte vom Mai 2016 stammen. Geschrieben wurde sich jedoch von ein paar jungen Sozialdemokraten am Tag nach der Wiener Gemeinderatswahl, am 11. Oktober 2015. Die Öffentlichkeit hat nicht weiter Notiz davon genommen.
Doch in der Löwelstraße herrschte helle Aufregung. In kurzer Zeit wurde eine Gegeninitiative aus dem Boden gestampft – „gegenschwarzblau.at“ sollte Faymann den Rücken stärken; wobei die Organisatoren ausdrücklich auch zwei „KZ-Überlebende“ als Unterstützer anführten. Ganz offensichtlich sollte damit ein unmissverständliches Signal gesetzt werden: Wenn Leute wie sie für den Kanzler sind, dann kann man nichts gegen ihn haben.
Dagegen ist ja wirklich schwer anzukommen. Vor allem aber zeigt es, wie Faymann seine Getreuen gegen kleinste Kritik vorgehen lässt: Ungeniert, ohne Rücksicht auf die Maßverhältnisse.
Die offene Auseinandersetzung ist seine Sache jedoch nicht. Gerade in einer Demokratie ist das problematisch.
Das ist seltsam und sagt sehr viel aus über die Geisteshaltung des Parteivorsitzenden: Warum hat er die aufmuckende Jugend nicht einfach zu Kaffee und Kuchen ins Kanzleramt geladen, um ein paar Fotos davon verbreiten zu lassen mit dem ergänzenden Hinweis, dass man nicht einer Meinung sei, aber eine spannende Diskussion geführt habe. Wetten, dass Faymann damit gepunktet hätte?
Die offene Auseinandersetzung ist seine Sache jedoch nicht. Gerade in einer Demokratie ist das problematisch. Da muss ein Parteivorsitzender und Bundeskanzler Widerrede erdulden können; tut er das nicht, wird’s brenzlig.
Jetzt ist das Verhalten Faymanns allerdings zumindest parteischädigend geworden: Es ist nicht zu übersehen, dass sich kaum noch jemand freiwillig hinter ihn stellt; sondern dass die, die das tun, immer erst organisiert werden müssen.
So könnte man das Für und Wider natürlich ewig fortsetzen. Die Gräben würden immer tiefer werden.
Während seine Kritiker am 1. Mai auf dem Wiener Rathausplatz alle möglichen selbst gemachten Plakate und Transparente präsentieren, zeigen seine Unterstützer immer nur den Einheitsvordruck („Werner, der Kurs stimmt“). Kaum wird er vom Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl zum Rücktritt aufgefordert, mobilisiert die Parteizentrale einen (den nö. Vorsitzenden Matthias Stadler), der sich für einen Verbleib ausspricht. Kaum meint Baugewerkschafter Josef Muchitsch, er solle loslassen, hält – wohl nicht zufällig – ein anderer Arbeitnehmervertreter (Metallergewerkschafter Rainer Wimmer) dagegen.
So könnte man das Für und Wider natürlich ewig fortsetzen. Die Gräben würden immer tiefer werden, die Sozialdemokratie der Spaltung immer näher rücken. Wobei die treibende Kraft bei alledem niemand geringerer als der Bundesparteivorsitzende höchstpersönlich ist.