Wer sagt’s Ludwig und Rendi-Wagner?

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ANALYSE. Das Kalkül „Wenn schon eine Mitgliederbefragung, dann eine, bei der Doskozil nicht gut aussteigen kann“ geht nach hinten los. Den größten Schaden hat die Vorsitzende.

Für die Sozialdemokratie scheint es schon egal zu sein, ob noch heuer oder erst im kommenden Jahr gewählt wird auf Bundesebene. Die Partei kommt so schnell kaum noch zur nötigen Kampagnenkraft. Damit gemeint ist das, was der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler zum Ausdruck bringt, wenn er betont, dass man für Visionen brennen müsse.

Hans Peter Doskozil mag der Partei von der Papierform her noch am ehesten einen Wahlsieg bescheren können, weil er laut Meinungsforscher Peter Hajek eine breite Mitte erreicht. Nicht wenigen Genossinnen und Genossen missfällt jedoch, was er liefert: Sie orten einen Rechtsruck und vermissen Visionen für eine moderne, gerechte Gesellschaft. Selbst wenn er Spitzenkandidat werden sollte, würden die Genossinnen und Genossen also kaum geschlossen brennen und rennen für ihn und eine gemeinsame Vorstellung für die Zukunft.

Die SPÖ ist offensichtlich anders als die ÖVP: Sie übergibt sich nicht ganz einem Mann (wie die ÖVP 2017 Sebastian Kurz), um allein das erreichen zu können: Platz eins, Macht und das Kanzleramt. Motto: „Alles andere ist egal.“ In der SPÖ nehmen namhafte Teile lieber eine Niederlage hin.

Deutlicher denn je ist, dass es Doskozil-Gegnern wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zuletzt ausschließlich darum gegangen ist, diesen zu verhindern. Koste es, was es wolle. Der Burgenländer mag eine Mitgliederbefragung über den Vorsitz durchgesetzt haben, wenn schon, dann wollte man ihm diese aber vermasseln. „Zentralsekretär“ Christian Deutsch sorgt dafür. Das Ergebnis ist Chaos, dutzende Bewerber und eine Botschaft: Kandidaten wie Babler und zunächst Nikolaus Kowall treten vor allem auch an, weil sie mit Rendi-Wagner und dem Zustand der gesamten Partei unzufrieden sind. Ihres Erachtens ist da kein Feuer mehr, nichts.

Tatsächlich: Schon lange kämpft die Sozialdemokratie nicht mehr unentwegt und leidenschaftlich für eine Gemeinsame Schule oder eine Vermögensbesteuerung. Bei der Migration ist sie Getriebene von Rechtspopulisten, versucht, mit einem eigenen Papier zu zeigen, dass sie eh auch Handlungsbedarf sehe.

Für Rendi-Wagner rächt sich zudem, sich verschätzt zu haben: Nach dem türkisen Absturz machte sie es sich zu einfach. Legte nicht einmal eine Alternative für Österreich vor. Jetzt ist die FPÖ vorne, liegt die SPÖ ohne irgendein Angebot da.

Kowall und Babler stehen selbstverständlich nicht für Doskozil. Im Gegenteil. Sie stehen aber auch nicht für Rendi-Wagner, sondern dafür, dass sie die rein taktisch motivierte, wenig bis nichts sagende Ausrichtung der Partei unter Rendi-Wagner unerträglich finden. Durch die Kandidaturen der beiden ist das raus – und kann nicht mehr eingefangen werden (auch wenn Kowall seine Kandidatur gleich einmal zugunsten von Babler zurückgezogen hat).

Rendi-Wagner wird das politisch nicht überstehen. Das heißt nicht, dass sich Doskozil durchsetzen muss. Oder Babler. Es ist eher die Frage, wann sie und Ludwig das erkennen und Konsequenzen daraus ziehen. Die SPÖ braucht im Sinne notwendiger Alleinstellungsmerkmale eine Person für die Vorsitzführung, die links der Mitte steht, integrativ wirkt und auch der FPÖ Wählerinnen und Wähler abnehmen kann. Einen wie den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, der sich das selbst kaum antun dürfte, der diese Voraussetzungen aber am ehesten erfüllt.

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