Was spricht noch gegen Strache?

ANALYSE. Der Kanzler spielt mit dem Feuer: Wenn er scheitert, regieren die Freiheitlichen, warnt er. Selbst nähert er sich diesen jedoch an – und auch das neue Regierungsprogramm trägt ihre Handschrift.

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ANALYSE. Der Kanzler spielt mit dem Feuer: Wenn er scheitert, regieren die Freiheitlichen, warnt er. Selbst nähert er sich diesen jedoch an – und auch das neue Regierungsprogramm trägt ihre Handschrift.

Nein, es ist nicht eh schon ganz egal, ob Christian Kern (SPÖ) oder Heinz-Christian Strache (FPÖ) Bundeskanzler ist; und ja, das macht natürlich einen Unterschied: Kern hat ein ganz anderes Auftreten und eine gewähltere Sprache. Wenn er könnte, würde er gestalten. Er nimmt seit seinem Amtsantritt vor bald einem Jahr jedoch vor allem eine Protesthaltung in weiten Teilen der Wählerschaft wahr und versucht ihr dadurch zu begenen, dass er ihr die eine oder andere Forderung erfüllt. Strache dagegen sieht seine Aufgabe einzig und allein darin, diese Stimmung zu verstärken, zu hetzen und abgesehen davon Donald Trump zu huldigen.

Das muss vorweggeschickt werden. Wenn man sich mit den beiden beschäftigt, kommt man aber nicht umhin, ebenfalls festzustellen, dass Kern der sozialdemokratischen „Ausgrenzungspolitik“ gegenüber den Freiheitlichen ein Ende bereitet und die Auseinandersetzung in Anerkennung eines Bemühens von Strache, Österreich ebenfalls weiterbringen zu wollen, auf eine inhaltliche Ebene geholt hat. Wobei der Begriff „Auseinandersetzung“ auch auf zahlreiche Übereinstimmungen hinausläuft, wie das neue Regierungsprogramm zeigt.

Mehr Jobs, Mindestlohn und eine Abfederung der Kalten Progression sind Dinge, denen auch Strache zustimmen könnte. Gegen eine Beschränkung der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit wird er genauso wenig haben. Laptops für Schulkinder sollte er auch begrüßen. Strafrechtsverschärfungen, ein Burkaverbot und eine Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten sind sicher nach seinem Geschmack. Und die „massive Reduktion“ der „in Österreich ankommenden und rechtswidrig aufhältigen Migranten“ wird ihm zwar nicht weit genug gehen; im Sinne eines Kompromisses würde er sich im Fall des Falles aber auch damit begnügen.

Das eine oder andere mag Kern auf Druck der ÖVP hingenommen haben. Sofern es um „Sicherheitsfragen“ geht, deckt es sich aber auch mit den Vorstellungen seines Parteifreundes, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und seinem Bemühen, den Rechtspopulisten dadurch Wind aus den Segeln zu nehmen, dass er einen Teil ihrer Forderungen erfüllt.

Das kann verdammt blöd ausgehen für ihn und viel mehr noch die gesamte Republik.

Das kann verdammt blöd ausgehen für ihn und viel mehr noch die gesamte Republik: Seine Warnung, dass dann, wenn er scheitere, eine andere, eine FPÖ-geführte Regierung komme, verliert zunehmend an Schrecken. Auf der anderen Seite mag er zwar ehemalige SPÖ-Wähler, die in den vergangenen Jahren zu den Freiheitlichen abgewandert sind, zurückgewinnen. Möglich ist aber auch, dass er FPÖ-Sympathisanten bestätigt, dass sie eh nicht falsch lägen und daher weiter blauen wählen „dürfen“. Und damit hätte Strache die Kanzlerschaft fix.

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Inhaltlich ist es zumindest schwer geworden, Unterschiede aufzulisten zwischen einer Regierung mit Strache und einer Regierung ohne Strache bzw. einer mit Kern und einer ohne Kern. Und zwar auch, weil letzterer „sozialdemokratische“ Themen, die es natürlich noch geben würde, wie die Gesamtschule oder die Homo-Ehe, hintangestellt hat. Sie sind schließlich schon in einer rot-schwarzen Koalition nicht umsetzbar.

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