Was Nehammer sagen könnte

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ANALYSE. Der Kanzler wäre bei seiner Grundsatzrede gut beraten, sich an Kickl zu orientieren und ein anderes Österreich in einem starken Europa zu entwerfen. Es wäre der Gegenentwurf, auf den es ankommt.

Wenn Sie den Eindruck haben, immer öfter etwas über die Rede von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer am 26. Jänner in Wels zu lesen, ist das kein Zufall. Es liegt auch daran, dass aus seinem Umfeld mehr und mehr Details weitergereicht werden. So bleibt er länger präsent, wird im besten Fall für ihn eine Spannung aufgebaut.

Was vorliegt, lässt diese Vermutung zu: Nehammer wird einen „Österreichplan“ präsentieren, wonach die Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden soll. Bei Einkommen soll der Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent reduziert werden, und die Lohnnebenkosten sollen bis 2030 um 0,5 Prozent gesenkt werden.

Außerdem: Laut einem Rohentwurf soll ein „Regimewechsel in Österreichs Wirtschaftspolitik“ durchgeführt werden. Weg von Subventionen, hin zu Garantien und Anreizen.

All das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Solche Botschaften verbreitet die ÖVP von Nehammer seit Jahrzehnten. Bisher ist sie den Zielen nicht nähergekommen. Obwohl sie seit 37 Jahren in Regierungsverantwortung steht. Heftig ist der Begriff „Regimewechsel“ für ein Regime, das die Partei, die neben dem Kanzler auch den Finanz- und den Wirtschaftsminister stellt, selbst entwickelt hat.

Doch sagen wir, es entspricht trotz allem dem Zugang einer bürgerlichen Partei: Dann wird es darauf ankommen, dass Nehammer auch B) sagt. Also ausführt, wie das Ganze finanziert werden soll. Kommt eine Pensionsreform? Werden Förderungen gekürzt und wenn ja, welche? Pendlerpauschale? Ohne Antworten auf solche Fragen ist das alles nicht (mehr) ernst zu nehmen.

Abgesehen davon wäre es thematisch unzureichend. Wenn das eine „Schicksalsrede“ werden soll, wie Hubert Patterer in der „Kleinen Zeitung“ schreibt, muss Nehammer nehmen, womit Herbert Kickl als Chef der momentan klar stärksten Partei droht; er muss es nicht direkt kommentieren, aber einen Entwurf für ein anderes Österreich vorlegen.

Da geht es nicht (nur) um Steuersenkungen, ein Bekenntnis zum Schnitzel und allenfalls ein bisschen Klimapolitik. Es geht für einen Politiker, der den Anspruch hat, in der Mitte zu stehen, um viel mehr: Ein Bekenntnis zur Verfassung; ein Bekenntnis zu einem liberalen Rechtsstaat; ein Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft und einem respektvollen Umgang miteinander; ein Bekenntnis zu Chancengerechtigkeit, Leistung und Hilfe; ein Bekenntnis zu einem starken Europa mit ein paar Vorstellungen dazu; ein Bekenntnis zu Wissenschaft und Bildung, Kunst und Kultur; eine Orientierung, wie es sicherheits- und verteidigungspolitisch weitergehen soll.

Damit könnte Nehammer Größe und Selbstbewusstsein demonstrieren, zeigen, dass er nicht nur auf ein paar Schlagzeilen schielt, die im Grunde genommen schon seine Vorgänger unzählige Male geliefert haben und die daher abgedroschen sind. Damit könnte er sich vielleicht sogar wieder in eine Position bringen, die es weniger unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass er das Kanzleramt verteidigen kann.

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