Was Nehammer erreicht hat

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ANALYSE. Kein Mensch redet noch von Brunner und Edtstadler, geschweige denn Kurz als möglichen Nachfolgern. Trotz anhaltender ÖVP-Krise.

Im jüngsten „Talk“ zu Themen der Woche auf ATV und Puls 24 hat der Kollege Walter Hämmerle von der „Kleinen Zeitung“ auf den Hinweis, dass die ÖVP nach der Rede von Kanzler Karl Nehammer nicht abhebe, interessantes erwidert: Die Rede sei vor allem auch nach innen gerichtet gewesen. Es sei darum gegangen, Nehammer als Kanzlerkandidaten in der Volkspartei außer Streit zu stellen.

Es ist möglich, dass das eine Absicht war. Begleitende Medienarbeit um die Rede lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass der ÖVP-Chef die Themenhoheit erlangen wollte. Ja, es gab sogar Leute in der Partei, die Neuwahlgerüchte befeuerten. Und zwar mit dem verhängnisvollen Zusatz, dass dann, wenn es in den Wochen danach zu einer spürbaren Verbesserung der Umfragewerte komme, entschieden werde, ob nicht vielleicht doch schon vor dem Sommer, ja sogar vor der EU-Wahl Anfang Juni zur Nationalratswahl gerufen wird. Das ist insofern verhängnisvoll, als man heute, da nichts daraus wurde, behaupten kann, dass die Umfragewerte zu schlecht geblieben sind. Dass Nehammer nichts Messbares ausgelöst hat. Ja, dass er hier ein Stück weit gescheitert ist.

Sehr wohl erreicht hat er aber, was Hämmerle angesprochen hat: Bei seiner Rede in Wels haben ihm alle wesentlichen Frauen und Männer der ÖVP regelrecht zugejubelt. Das hat nach innen wie nach außen gewirkt: Nirgends werden Finanzminister Magnus Brunner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler noch als Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl ins Spiel gebracht. Diese Frage stellt sich nicht. Zumindest vorerst nicht.

Nehammer hat vorgesorgt. Sagen wir: Er hat sein Konto aufgeladen. Schon in wenigen Tagen könnten abhängig vom Urteil im vorläufig ersten Sebastian-Kurz-Prozess ein paar Türkise auftreten und „Comeback!“ rufen. Es wäre nicht ernst zu nehmen, für Nehammer jedoch lästig. Lästig wäre es auch, wenn die ÖVP bei der Salzburger Gemeinderatswahl im März den Posten des Bürgermeisters in der Landeshauptstadt verlieren würde. Im schlimmsten Fall für sie an den Kommunisten Kay-Michael Dankl. Was durchaus möglich zu sein scheint.

Nicht nur lästig, sondern übel wäre es für Nehammer, wenn es in weiterer Folge sein Staatssekretär Florian Tursky als Bürgermeister-Kandidat in Innsbruck im April nicht einmal in die Stichwahl bringen würde. Auch das ist möglich. Eher schaut es dort zurzeit nach einem grün-blauen Duell zwischen Amtsinhaber Georg Willi und Markus Lassenberger aus. Oder einem Duell zwischen Willi und dem Ex-Schwarzen Johannes Anzengruber.

Da könnte Nehammer dann schon auf einen ordentlichen Bonus angewiesen sein, um nicht infrage gestellt zu werden. Nicht wenige werden finden, dass bei der bundespolitischen Performance halt nicht mehr möglich ist; auf welcher Ebene auch immer.

Vor allem auch im Hinblick auf die EU-Wahl am 9. Juni wird es kritisch für Nehammer. Wobei: Dort wird die ÖVP aus geringerer Höhe fallen als bei der Nationalratswahl. Bei der EU-Wahl erreichte sie 2019 34,6, bei der Nationalratswahl 37,5 Prozent. Das ist ein Unterschied. Zweitens: Für die FPÖ ist es bei einer EU-Wahl schwieriger auf zum Beispiel 30 Prozent zu kommen als bei einer Nationalratswahl. Grund: Leute, die sie anspricht und die „Brüssel“ ablehnen, gehen eher nicht wählen.

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