ZAHLEN ZUM TAG. Mit Fakten zu Zuwanderung, Bevölkerungsentwicklung und Parteienfinanzierung hat es der FPÖ-Chef weniger.
Im ORF-Sommergespräch 2023 vermittelte FPÖ-Chef Herbert Kickl den Eindruck, dass Migrantinnen und Migranten aus anderen EU-Mitgliedsländern entgegen ursprünglicher Prognosen einen Bogen um Österreich machen würden, weil sie anderswo besser verdienen bzw. „mehr Netto vom Brutto“ erhalten würden. Das mag es geben. Tatsache ist jedoch, dass die europäische Binnenmigration nach Österreich in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat.
Das zeigen Daten der Statistik Austria: Mitte der 1990er Jahre, also nach dem EU-Beitritt, hatte es sich um rund 30.000 Menschen gehandelt. Bis Ende der 2010er Jahre (und nach der sogenannten Osterweiterung) verdoppelte sich die Zahl. 2014 erreichte sie mit rund 100.000 ein Niveau, auf dem sie sich bis zuletzt mehr oder weniger einpendelte. Stark vertreten sind deutsche und rumänische Staatsangehörige, die oft nur auf Zeit kommen, um zu studieren oder zu arbeiten.
Schaut man sich die gesamte Zuwanderung an, fällt auf, dass die „europäische“ (im EU-Sinne) in der Regel überwiegt. In der jüngeren Vergangenheit war es nur zwei Mal anders: 2015 und 2022. 2022 kamen neben rund 100.000 EU-Bürgerinnen und -Bürgern mehr als 145.000 Angehörige anderer Staaten nach Österreich. Darunter 78.439 Menschen aus der Ukraine.
Kickl vermittelte in der Sendung außerdem den Eindruck, dass Zuwanderung zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels nur temporär notwendig sei und man Betroffene daher (wieder) als Gastarbeiter begreifen sollte. Das sei ein schöner Begriff. Man könnte auch von einem bösartigen reden: Wer von Gastarbeitern spricht, will keine Integration. Er nimmt vielmehr Probleme in Kauf, die hinlänglich bekannt sind.
Sehr wahrscheinlich wird die demographische Entwicklung längerfristig eine stärker werdende Zuwanderung notwendig machen. Statistik Austria hat eine Bevölkerungsprognose unter der Annahme erstellt, dass es frei nach Kickl eine Festung mit geschlossenen Grenzen, also gar keine Migration gibt. Ergebnis: Ausgerechnet die Zahl der Männer und Frauen in Österreich, die sich im klassischen Erwerbsalter (20 bis 64) befinden, wird bis zur Mitte des Jahrhunderts ungefähr doppelt so stark sinken wie die Gesamtbevölkerung; sie wird von fünfeinhalb auf 4,2 Millionen zurückgehen. Sprich: Mit (temporären) Gastarbeitern wird man diese Lücke nicht schließen können.
Im Übrigen verwehrte sich Kickl im Sommergespräch dagegen, die automatische Inflationsanpassung der Parteienförderung auszusetzen. Zur Erinnerung: Heuer ist sie um 8,6 Prozent auf 34,5 Millionen Euro erhöht werden, für das kommende Jahr winkt eine weitere Anhebung auf rund 37 Millionen Euro. Ist das notwendig? Bei den Politikerbezügen hatte Kickl von einem falschen Signal gegenüber all jenen gesprochen, denen die Teuerung zu schaffen macht. Daher soll hier auf eine Anpassung verzichtet werden. Bei der Förderung, die ohnehin schon zu einer der höchsten weltweit zählt, sieht er das anders. Bei ihr verteidigt er die Erhöhung damit, dass Parteien ja mit (indirekt inflationsbedingt) steigenden Personalkosten konfrontiert seien.
Das lädt ein, in den jüngsten Rechenschaftsbericht der Bundes-FPÖ zu schauen. Die Ausgaben setzten sich 2020 folgendermaßen zusammen: Von insgesamt 7,2 Millionen Euro entfiel der relativ größte Teil (3,2 Millionen) auf Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit, also Kampagnen. Der Personalaufwand machte mit 1,2 Millionen Euro einen Bruchteil aus und war ähnlich groß wie jener für Rechts-, Prüfungs- und Beratungskosten sowie kaum größer als jener für Kreditrückzahlungen. Insofern wäre eine „Nullförderungsrunde“ zumutbar. Wenn schon Symbolpolitik gefragt ist. Es geht nur ums Wollen. Und Kickl will nicht.