Was heißt hier Mitte?

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ANALYSE. OECD-Empfehlungen für Österreich verdeutlichen, wie weit sich ÖVP und FPÖ vom Standort, den sie für sich beanspruchen, entfernt haben.

Gestern haben Türkise „Tradition statt Multikulti“ gefordert, andere Parteien als „Einheitspartei“ bezeichnet und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur „Staatsgefährderin“ erklärt, heute beanspruchen sie für sich, für eine „starke Mitte“ zu stehen. Ungleich widersprüchlicher noch verhält es sich bei Freiheitlichen. Deren Chef Herbert Kickl skandiert „Remigration!“ und betont schon einmal: „Wir sind die Mitte!“

Wenn ÖVP und FPÖ Mitteparteien wären, wäre es zum Beispiel nahliegend, dass sie sich an den jüngsten OECD-Empfehlungen für Österreich orientieren. In der Budgetpolitik genauso wie in der Wirtschafts- und in der Bildungspolitik oder auch in der Klimapolitik. Das tun sie jedoch wenig bis gar nicht. Neos sind eher, Grüne und Sozialdemokraten alles in allem zumindest so viel Mitte wie sie.

Das kommt nicht irgendwoher. Es steht für die Auflösung dessen, was einst als Mitte bezeichnet worden ist und weite Teile der Gesellschaft umfasste. Viele Menschen kapitulieren vor lauter Krisen und Herausforderungen, wollen nicht nur keine Veränderungen, sondern eine Rückkehr zur vermeintlich guten, alten Vergangenheit. Vgl. Sinus-Milieu-Studie. FPÖ und ÖVP versuchen, sie zu bedienen. Andere stellen sich den Notwendigkeiten, die sie sehen; in Bezug auf Wirtschaft oder Klima etwa. Das sind eher Zielgruppen von Neos und Grünen.

Alles in allem kann es insofern zwar kein Programm für eine Mitte mehr geben, die OECD-Empfehlungen könnten aber immerhin Vorstellungen einer traditionellen Mitte entsprechen. Sie umfassen im Wesentlichen vier Punkte:

Erstens. Sobald das Wirtschaftswachstum wieder anzieht, was voraussichtlich im kommenden Jahr der Fall sein wird, ist das Budgetdefizit zu reduzieren. Dabei geht es insbesondere auch darum, einen Spielraum für künftige Krisen zu schaffen. Inhalte: Pensionsreform und Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen. Außerdem gehören die hohen Abgaben auf Arbeit reduziert. Zum Ausgleich möglich wäre eine höhere Besteuerung von Immobilien.

Zweitens. Bürokratieabbau gehört nicht nur in EU-Wahlkämpfen gefordert. Auch hierzulande ist er nötig, um etwa Unternehmertum zu erleichtern.

Drittens. Gesellschaftliche Ungleichheiten gehören viel stärker bekämpft. Insbesondere auch die Integration von Zuwanderern sollte in diesem Sinne verbessert werden. (dieSubstanz.at hat vor wenigen Tagen berichtet, wie kontraproduktiv es diesbezüglich zum Beispiel ist, Menschen aus der Ukraine, die jetzt schon sehr lange in Österreich sind und keine Aussicht auf eine Rückkehr haben, in der Grundversorgung zu halten; diese Unterstützung hält davon ab, erwerbstätig zu werden.) Bekämpft werden sollte aber auch die Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen, die hierzulande besonders groß ist im internationalen Vergleich.

Viertens. Klimapolitik darf nicht gestoppt, sondern muss verstärkt werden. Es muss mehr getan werden, damit bis 2040 „netto null Emissionen“ erreicht werden. Insbesondere im Verkehrsbereich. Zitat: „Österreichs größte Quelle für Treibhausgasemissionen ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an privater Pkw-Nutzung und einem langsamen Übergang zu emissionsarmen Fahrzeugen.“ Die CO2-Bepreisung sollte dafür erhöht werden.

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