ANALYSE. Der Salzburger mobilisiert Wähler, die mit der Politik schon abgeschlossen hatten. Damit ist er der vorerst erfolgreichste Gegenentwurf zu Kickl.
In der Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters der Stadt Salzburg bot sich der Sozialdemokrat Bernhard Auinger auch Bürgerlichen an, indem er die „Mitte“ für sich in Anspruch nahm und die Bedeutung ebendieser auch betonte. In Anbetracht seines Gegenübers Kay-Michael Dankl (KPÖ plus) war das nicht unklug. Im Übrigen hat er sich bemerkenswert deutlich zum Gehalt von mehr als 15.000 Euro brutto pro Monat bekannt, das das Stadtoberhaupt erhält: Er finde es „durchaus angemessen“, ließ er die „Kleine Zeitung“ am Wahlwochenende wissen: „Immerhin ist der gewählte Bürgermeister auch Vorgesetzter von mehr als 3300 Mitarbeiter:innen. Darüber hinaus habe ich als Berufspolitiker im Durchschnitt eine 70-Stunden-Woche. Ich halte nichts vom Bashing bezüglich Politiker-Bezügen, denn ich kenne meinen Terminplan und mein Arbeitspensum.“ Da sind in Wirklichkeit sogar zwei Dinge drinnen, die schon nicht mehr „normal“ sind: Dass sich ein Berufs-Politiker als Berufs-Politiker bezeichnet. Und dass er zu seinem überdurchschnittlichen Gehalt steht. Dass er sich nicht verunsichert zeigt aufgrund des Erfolgs von Dankl, der ja betonte, dass er sich auch als Stadtoberhaupt mit „einem durchschnittlichen Facharbeiterlohn“ von „aktuell 2300 Euro netto“ begnügen würde.
In der Stichwahl hat sich Auinger klar durchgesetzt. Es wäre jedoch daneben, Dankl zum Verlierer zu erklären und zur Tagesordnung überzugehen. Der Mann hat schon auch Fähigkeiten, die außerordentlich sind. Vor allem ist er – neben Dominik Wlazny – der einzige aktive Politiker, der nachweisen kann, ein erfolgreiches Gegenmodell zu Kickl zu sein. Wlazny hat es bei der Bundespräsidenten-Wahl bewiesen, als er ohne großes Programm auch FPÖ-Anhänger für sich gewinnen konnte. Dankl tut selbiges, indem er – wie Kickl – unter anderem auch Nichtwähler als größere Zielgruppe anspricht.
In der Stadt Salzburg gibt es Bezirke, in denen die Wahlbeteiligung traditionell sehr niedrig ist. Bei der Landtagswahl lag sie in Elisabeth-Vorstadt, Lehen und Schallmoss mit rund 40 Prozent um ein Drittel unter dem stadtweiten Durchschnitt (63,5 Prozent). Hier hat KPÖ plus nun auch bei der Gemeinderatswahl überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. In Schallmoos etwa kam sie auf 31 Prozent (stadtweit auf 23,1 Prozent). Und hier hat ihr Chef, Kay-Michael Dankl, jetzt auch bei der Stichwahl seine besten Ergebnisse erzielt: Alles in allem ist er gegen Auinger zwar chancenlos geblieben, musste sich mit 37,5 Prozent begnügen, in Elisabeth-Vorstadt erreichte er aber 46, in Lehen 42 und in Schallmoos 44 Prozent.
Der Mann ist ganz offensichtlich in der Lage, Wähler zu reaktivieren, die der Politik fernstehen oder die mit der Politik überhaupt schon abgeschlossen hatten. Das ist Teil seines Wahlerfolgs. Laut SORA-Wählerstromanalyse aus dem Vorjahr war immerhin jeder sechste KPÖ plus-Wähler bei der damaligen Landtagswahl ein ehemaliger Nichtwähler.
Auf diese Gruppe kommt es mehr denn je an. Das ist kein Geheimnis. Nicht nur Dankl umwirbt sie gezielt, indem er sich in Wahlkämpfen ganz besonders in Gegenden mit niedriger Wahlbeteiligung begibt. Auch SPÖ-Chef Andras Babler bemüht sich. Oder Herbert Kickl (FPÖ).
Kick tut so, als habe er mit Politik nichts zu tun, als sei er kein Berufspolitiker und gehöre, um es in seiner Sprache zu sagen, nicht zum System. Es verkündet vielmehr, Politiker, die er als Volksverräter bezeichnet, zu treten. Das sind Codes für Menschen, die Politik verachten, die politikfern sind. Viele von ihnen sind laut Demokratiemonitor von „Foresight“ (ehemals SORA) überzeugt, Politik egal zu sein. So sind sie erreichbar, so werden gewissermaßen Rachegelüste geweckt.
Erreichbar sind sie aber eben auch so, wie es Dankl anlegt. Er wirkt neben Kickl wie ein Ministrant, punktet als eine Art Sozialarbeiter, der den Leuten auf Augenhöhe begegnet und ihnen vermittelt, sich um ihre Anliegen zu kümmern. Nicht um ihre Emotionen, wie es der FPÖ-Chef lediglich tut.
Anstatt zu hyperventilieren, dass Dankl ein Kommunist sei, mit ihm der Kommunismus drohe in der Stadt Salzburg und das Abendland untergehe, sollten sich Bürgerliche in der ÖVP vielleicht darauf konzentrieren, wie sie einen noch besseren Gegenentwurf zu Kickl entwickeln könnten. Das wäre auch ihr Schlüssel zum Erfolg. Beziehungsweise zur Absturzbegrenzung. Der Bedarf für sie wäre jedenfalls schon in Salzburg groß: Wahlniederlagen in Stadt und Land haben auch damit zu tun, dass Empathie verloren gegangen ist in ihren Reihen, dass insbesondere Landeshauptmann Wilfried Haslauer Gespür für Sorgen und Nöte vieler Menschen fehlt.
Nicht, dass er „Wohnungsnot!“ kreischen müsste. Er könnte jedoch wahrnehmen, dass Wohnkosten gerade in Salzburg zu einem Problem geworden sind, das nicht wenigen zusetzt.