Medien unter Druck

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ANALYSE. In Zeiten wirtschaftlicher Not verunsichert die Regierung jetzt auch noch freien Journalismus.

Wie’s Medien wirtschaftlich geht, muss hier nicht weiter ausgeführt worden: Zu viele haben zu kämpfen, sehen sich gezwungen, Personal abzubauen. Erträge sinken, Kosten ziehen davon. Das ist für sich genommen schon keine gute Voraussetzung für starken Journalismus; gerade in einem Super-Wahljahr, in dem man nicht ausschließen kann, dass am Ende ein Volkskanzler steht, der ankündigt, nach dem Vorbild von Viktor Orbàn aufzuräumen.

Als reiche das alles nicht, kommt jetzt auch noch eine Meldung daher, die vom „Presseclub Concordia“ mit dem Vermerk „existenzielle Bedrohung der Pressefreiheit“ versehen wird. Um es in der Sache kurz zu machen: Infolge eines VfGH-Erkenntnisses wird es notwendig, Datenschutz-Bestimmungen für Medien neu zu fassen: Medien sollen stärker an Datenschutzbestimmungen gebunden werden, die Datenschutzbehörde soll sich darum kümmern. Der Medienrechtler Nikolaus Forgó hat dazu in der „Presse“ einen Gastkommentar geschrieben. Österreich könnte von einem Extrem ins andere kippen, warnt er – von fast kompletter Verdrängung des Datenschutzes im Medienbereich in fast komplette Verdrängung der Informations- und Meinungsfreiheit.

Forgó stellt dazu rhetorische Fragen, die das Problem zum Ausdruck bringen: „Wie soll, zum Beispiel, Investigativjournalismus funktionieren, wenn der, gegen den recherchiert wird, Auskunft zur Recherche verlangen, dieser widersprechen und Löschung beantragen könnte? Wie soll die Datenschutzbehörde mit (ggf. strategisch koordinierten) massenhaften Beschwerden gegen Medienunternehmen umgehen können? Wie soll ein Recht auf Vergessenwerden durch ein Medienunternehmen realisiert werden? Und so weiter.“

Das Justizministerium von Alma Zadić (Grüne) ist am Werk, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) redet mit. Das könnte die Sache schlimmer machen: Die Befürchtung ist groß, dass sie bei der Gelegenheit gleich auch das von ihr geforderte Zitierverbot aus Akten durchsetzen möchte. Eine Folge davon wäre, dass es nicht mehr so selbstverständlich wie vor zweieinhalb Jahren möglich wäre, Chats von Sebastian Kurz und aus dessen Umfeld zu zitieren. Anders ausgedrückt: Hätte das schon damals gegolten, wäre er vielleicht noch im Amt.

Das Zitierverbot ist nicht nachvollziehbar: Gerade die Causa Kurz zeigt, dass Zitierungen wichtig sein könnten. In seinem Fall ging es ja nicht um intime Geschichten, sondern um schriftliche Mitteilungen, die im Zusammenhang mit der Amtsführung standen. Insofern war es sogar wichtig, dass eine breitere Öffentlichkeit davon erfährt: Es hat gezeigt, wie Kurz Macht ausgeübt hat; sehr viel anders nämlich als er dies vor allem vor Wahlen gegenüber einer Masse vermittelt hat.

Doch zurück zum Punkt: Eine angeschlagene Branche wird hier auch noch verunsichert. Zugespitzt: Es bleibt Zweifel, ob man journalistisch Notwendiges in Zukunft überhaupt noch darf. Ob man mit so weitreichenden Datenschutzbestimmungen konfrontiert wird, dass man es am besten von vornherein sein lässt.

Das ist das Gegenteil von dem, was politisch angebracht wäre: Bekenntnisse zu freiem Journalismus, unterlegt durch Maßnahmen, die zeigen, dass sie ernstgemeint sind. Beziehungsweise, weil jetzt schon so große Befürchtungen laut geworden sind (vgl. Forgó) unverzügliche Klarstellungen.

Warum passiert das nicht? Wo bleiben Kanzler und Vize? Man kann die ganze Geschichte auch als logische Fortsetzung von „Message Control“ und Inseratenpolitik (oder im Extremfall -korruption) sehen, bei denen Medien die Funktion haben, im Sinne Mächtiger zu funktionieren, nicht aber aufzudecken oder ihnen lästig zu sein. Genauer: Halten sie sich nicht daran, müssen sie damit rechnen, keine – unter Umständen existenziell erforderlichen – Inserate zu bekommen, also zu sterben.

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