Warum die FPÖ nicht abstürzt

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ANALYSE. Dass sich die Partei überraschend gut hält, hat sie nicht zuletzt auch Mitbewerbern zu verdanken. Sie üben sich in Nachsicht.

Als der damalige Bundeskanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz am 18. Mai nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos die Koalition aufkündigte und gleich auch seine erste Wahlkampfrede hielt, schauten seine Perspektiven ungefähr so aus: Mit der neuen Volkspartei geht’s in Richtung 40 Prozent oder gar darüber, weil die Freiheitlichen ja ganz, ganz tief abstürzen werden.

Heute ist’s jedoch folgendermaßen: Die ÖVP hält 35, 36 Prozent, die FPÖ rund 20 Prozent. Erstere gewinnt zwar, aber nicht ganz so stark wie erwartet, weil sich zweitere nicht in Richtung 15 Prozent oder gar darunter bewegt hat (Stand: 3. September).

Das ist das große Phänomen: Die FPÖ liegt nicht am Boden. Trotz Ibiza, trotz vorzeitigem Ende der schwarz-blauen Koalition, trotz Rücktritt von Heinz-Christian Strache und vielem anderen mehr. Woran liegt das? Ein Erklärungsversuch.

  1. Was Strache im Ibiza-Video gesagt hat, hat die „Kronenzeitung“ sowie Leute empört, denen die Einhaltung gewisser Spielregeln wichtig ist. Zum Beispiel bei öffentlichen Auftragsvergaben. Oder im Umgang mit kritischen Medien als bedeutende Player in einer pluralistischen Demokratie. Sehr viele Menschen hat das Video jedoch nicht weiter aufgeregt. Entweder weil sie der Meinung sind, dass Strache eh nur offen gesagt hat, was in Österreich seit Jahr und Tag in dieser oder ähnlicher Form praktiziert wird. Oder weil ihnen das Ganze überhaupt zu abstrakt ist.
  2. Für die FPÖ wahlentscheidende Dinge werden durch Ibiza nicht tangiert. Ihre Migrations- und Flüchtlingspolitik beispielsweise. Oder ihre populistische Sozialpolitik für österreichische Staatsbürger.
  3. Laut Kurz hatte die FPÖ das Fass nach vielen „Einzelfällen“ (Rattengedicht etc.) durch Ibiza zum Überlaufen gebracht. Das war in Summe zu viel („Genug ist genug“). Das haben auch Vertreter anderer Lager und Parteien so gesehen. Bemerkenswert ist jedoch, dass all das ohne nachhaltige Konsequenzen bleibt. Sogenannte „Einzelfälle“ gibt es weiter (zuletzt forderte Kärntens FPÖ-Chef, Drogendealer sollten ihre Gefängniszelle mit der Zahnbürste putzen); und auch sonst wurde nichts unternommen, damit das, was Strache in dem Video gesagt hat, quasi denkunmöglich wird: Die Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben wird nicht ausgeweitet, die Medienpolitik bleibt unverändert und zu den Parteispenden hat die SPÖ mit der FPÖ zwar eine Reform fixiert, sie lässt aber ausgerechnet die von Strache in dem Video skizzierte Umgehung der Veröffentlichung über Vereine weiterhin zu (bzw. wird keine Kontrolle eingeführt). Alles in allem geht man mit der FPÖ also sehr nachsichtig um. Wovon die Botschaft ausgeht, dass sie im Grunde genommen nichts wirklich Verwerfliches angerichtet hat.
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  5. Die ÖVP geht sogar soweit, eine Fortsetzung der Koalition nicht auszuschließen: Weil die Zusammenarbeit inhaltlich ja gepasst habe. Was die FPÖ wiederum genüsslich als Qualitätsausweis ihrer Politik verbreiten kann.
  1. Die FPÖ hat bei der Strache-Nachfolge keine größeren Probleme gehabt. Im Gegenteil: Sie hatte mit Norbert Hofer und Herbert Kickl zwei sehr wirkungsstarke Politiker. Hofer hat bei der Bundespräsidenten-Stichwahl 2016 ganze 2.124.661 Stimmen erhalten. Auch wenn man die besonderen Umstände beachtet, ist das ein Hinweis auf sein Potenzial. Und dann ist da eben noch Kickl. In den Berichten zum APA/OGM-Vertrauensindex heißt es eher nur, wie weit hinten er liegt. Der ausgewiesene Saldo vom Juni täuscht jedoch darüber hinweg, dass ihm noch immer 24 Prozent der Befragten das Vertrauen schenken. Sprich: Der Mann hat viele Gegner, aber auch hartnäckige Anhänger. Und gerade mit ihnen ist einiges zu erreichen.

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