ANALYSE. Herbert Kickl und seine Leute müssen heute nur vor einem Mann Respekt haben: Hans Peter Doskozil. Das sagt was.
„Wenn wir davon reden, dass wir den Hackler zurückhaben wollen und dann scherzhaft formuliert den Yoga-Lehrer aus dem siebten Bezirk erwischt haben, dann sollten wir uns überlegen, wo wir stehen“, sagte der ehemalige Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern wenige Tage nach der Nationalratswahl 2024 in einem „Standard“-Interview, um hinzuzufügen: „Wir haben teilweise den Anschluss zur Realität verloren.“
Es war auch selbstkritisch gemeint; nicht nur an die Adresse seines Nachnachfolgers Andreas Babler gerichtet: Es sei schon 2017 ein Thema gewesen, als er Spitzenkandidat war, betonte Kern. Ein Blick in eine Wählerstromanalyse von damals bringt zum Ausdruck, was er meint: Wie beim Urnengang im vergangenen September hat die Sozialdemokratie nur in einem bescheidenden Umfang Arbeiter („Hackler“) angesprochen, viele Wähler an Freiheitliche verloren und eher allein das Glück gehabt, dass die Grünen gerade eine Krise hatten; beide Male wanderten tausende Wähler von diesen zu ihr.
Vor der SPÖ haben sich Freiheitliche nicht fürchten müssen. Weder 2024 noch 2017. Im Gegenteil.
Vor wem aber müssen sich Freiheitliche fürchten, vor wem müssen sie außerhalb der Städte, wo sie immer wieder abräumen, Respekt haben? Das ist eine entscheidende Frage. Gemeint ist hier nicht die kommunale, sondern die Länder- und die Bundesebene: Wenn da niemand ist, ist der Weg frei für Kickl und Co., haben sie beste Chancen, zu triumphieren und sich mit Hilfe von Steigbügelhaltern ganz oben zu halten.
In den vergangenen Jahren haben es nur zwei Leute geschafft, sich gegen Freiheitliche zu behaupten. Zunächst Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidenten-Wahl 2016 und dann bei der Wiederwahl 2022. Beim ersten Mal profitierte er eindeutig auch davon, was nach wie vor gilt: Eine Mehrheit ist gegen einen Mann wie Kickl oder damals eben Norbert Hofer. Ob es sich nun um Schwarze, Rote, Grüne oder Pinke handelt. Viele haben daher Van der Bellen ihre Stimme gegeben. Nicht so sehr, weil sie für ihn, sondern weil sie gegen Hofer waren. Da hatten sie keine andere Wahl.
2017 hat Sebastian Kurz die Freiheitlichen ausgebremst. Aber wie: Er kopierte sie – und dafür büßt die Volkspartei bis heute. Damit hat sie einen Teil der Mitte verloren. Und als Kurz dann weg war, war sie nicht einmal mehr eine Kopie der FPÖ, verlor sie umso heftiger.
Der einzige Politiker der Gegenwart, vor dem Kickl und Co. Respekt haben müssen, ist Hans Peter Doskozil. Es mag schmerzlich sein vor Sozialdemokraten, die ihm kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Die Mitte-Links-Person, die ähnliches zusammenbringen könnte, muss aber erst wachsen oder vielleicht auch zugelassen werden. In Sicht ist sie nicht. Das ist der Punkt.
Die Wiener SPÖ unter Führung von Michael Ludwig etwa bildet eher nur ein Angebot für die Stadt. Das reicht nicht für den bundesweiten Erfolg und hat auch hier Grenzen. Bei der Gemeinderatswahl 2020 konnte die Partei zwar leicht zulegen, wenn man bedenkt, dass Freiheitliche fast 24 Prozentpunkte verloren, waren die zwei Punkte mehr für sie jedoch bescheiden. Genauer: Lieber sind frustrierte FPÖ-Anhänger zu Hause geblieben, zur SPÖ hat es damals nur wenige gezogen.
Doskozil hat etwas ganz anderes auf seiner Habenseite stehen: Zwar sind Freiheitliche bei der jüngsten Landtagswahl im Burgenland wesentlich stärker geworden. Fast jeder dritte burgenländische FPÖ-Wähler der Nationalratswahl 2024 hat hier jedoch „rot“ gewählt. Bzw. Doskozil. Nicht blau bzw. Norbert Hofer, der freiheitlicher Spitzenkandidat im Land war.