ANALYSE. Mehrheitsverhältnisse und Wählerstromanalysen zeigen, woran die SPÖ bisher gescheitert ist. Und was für eine Mehrheit links der Mitte entscheidend wäre.
Dass immer wieder von einer rot-pink-grünen Ampelkoalition gesprochen wird, überrascht insofern, als es für eine solche eher selten eine Mehrheit gibt; und als sich Vertreter der drei Parteien noch nie geschlossen dafür ausgesprochen haben. Doch sei’s drum: Die Regel in Österreich ist eher, dass ÖVP und FPÖ zusammen über 50 Prozent der Mandate kommen auf parlamentarischer Ebene. Und dass dadurch die Position der SPÖ geschwächt ist. De facto bleibt ihr nur die Option Rot-Türkis bzw. Türkis-Rot.
Es ist sogar so, dass die Sozialdemokratie immer wieder unfreiwillig zur Stärke der FPÖ beiträgt. Die FPÖ wächst, wenn sie nicht gerade eine Krise hat und abstürzt, nicht zuletzt durch Stimmen, die von enttäuschten SPÖ-Wählern kommen. Das zeigt ein Blick in die SORA-Analysen der jüngeren Vergangenheit: Bei der Nationalratswahl 1999 wechselten 170.000 Wähler von der SPÖ zur FPÖ, 2006 waren es 119.000, 2008 181.000, 2013 51.000 und 2017 155.000.
Eine größere Bewegung in die umgekehrte Richtung gab es im vergangenen Vierteljahrhundert nur einmal: 2002, als die FPÖ infolge interner Streitigkeiten (Stichwort „Knittelfeld“) in Trümmern lag, wanderten unter Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer immerhin 148.000 Wähler zur SPÖ. Gusenbauer dürfte dazu beigetragen haben, indem er Einsparungen bei den Pensionen der teuren Eurofighter-Beschaffung gegenüberstellte.
Jedenfalls konnte er frustrierte FPÖ-Anhänger dazu bringen, rot zu wählen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. 2019 wären ebenfalls viele verfügbar gewesen, nur ein Bruchteil (36.000) ging aber zur SPÖ. In Summe verlor diese unter Pamela Rendi-Wagner stark, zumal mit 193.000 mehr Wähler von ihr zu den wiedererstarkten Grünen wanderten, als 2017 unter Christian Kern von implodierenden Grünen zur SPÖ (161.000).
Das Ganze zeigt zwei Dinge: Wenn die SPÖ wirklich an einer Ampel interessiert ist, was sie laut Vorsitzkandidaten Hans Peter Dosokozil und Andreas Babler sein sollte, muss sie sich hüten, mit den Grünen um dieselben Zielgruppen zu werben. Das könnte auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen. Wichtiger wäre es für sie, neben Nichtwählern einen Teil der Massen anzusprechen, die bei der FPÖ sind oder die derzeit zu dieser tendieren. Zumal es auch nur so zu einer Mehrheit links der Mitte kommen könnte.
Wobei es hier nicht einmal so sehr um rechte Angebote geht. Bei den jüngsten Landtagswahlen haben die Liste Tirol ebendort sowie die Liste Köfer in Kärnten und mehr noch die Kommunisten in Salzburg gezeigt, dass man auch anders als die FPÖ auf sehr großen Zuspruch bei Menschen kommen kann, die soziale Herausforderungen erleben oder sehen. In Salzburg hat es sogar größere Wählerbewegungen zwischen FPÖ und der KPÖ plus von Kay-Michael Dankl gegeben – gut ein Zehntel der KPÖ-plus Wähler kam von der FPÖ.