Unter Spindelegger ging’s los

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ANALYSE. Ob Kurz oder Karmasin: Ihre Karriere in der Politik geht auf den Ex-ÖVP-Chef zurück. Das ist kein Zufall. Unter diesem hat es die Partei aufgegeben, sich ernsthaft erneuern zu wollen. Das rächt sich heute mehrfach.

Zwischendurch mag sich Reinhold Mitterlehner darum bemüht haben, da war der Versuch, die ÖVP wirklich zu erneuern, aber schon zum Scheitern verurteilt. Unter anderem der heutige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka trug dazu bei. Der letzte Vertreter der Bundespartei, bei dem dieses Bemühen zunächst noch ein bisschen erfolgversprechend wirkte, war Josef Pröll. Er setzte eine Perspektivengruppe ein, die dann aber halt auch nur zu einem „Ideengrab“ (Der Standard) wurde.

Bezeichnend: Als Vizekanzler schlug Pröll noch etwas Zeitgemäßes vor, nämlich eine Transferdatenbank, der alle staatlichen Leistungen zu entnehmen sind. Transparenz also! Realisiert ist das Ganze bis heute mehr schlecht als recht – kein Wunder in einem Land, in dem das Amtsgeheimnis nicht wegzubekommen ist. Auch ÖVP-Länder stellten sich dem Ansinnen von Pröll in den Weg. Im April 2011 trat er zurück.

Michael Spindelegger übernahm die Volkspartei und mit ihm gab sie es auf, sich wirklich erneuern zu wollen: Sie setzte vielmehr darauf, sich und den Leuten mit unkonventionellen Quereinsteigerinnen sowie vermeintlichen Hoffnungsträgern etwas vorzumachen.

Zu den engsten Mitarbeitern Spindeleggers zählte Ex-Finanzminister Gernot Blümel. Als Vizekanzler und Chef des ÖVP-Flügels in der Regierung engagierte er Sebastian Kurz als Integrationsstaatssekretär und Sophie Karmasin als Familienministerin. Sie war nicht Parteimitglied und wurde es auch nie. Gegenwärtig ist wieder von ihr zu lesen, die WKStA möchte sie wegen Absprachen bei der Angebotslegung für Studien und einer Gehaltsfortzahlung nach ihrer Zeit als Ministerin vor Gericht bringen; eine Anklage wegen schweren Betrugs liegt vor.

Unter Spindelegger wurde zwar auch ein Schlussstrich unter eine ÖVP-Affäre (Ernst Strasser) gezogen und der mittlerweile hinlänglich bekannte Ethikrat der Partei eingerichtet. Er aber konnte nicht verhindern, was folgen sollte: ein Werte- und Sittenverfall. Kein Wunder: Wenn’s der Partei lieber ist, ist für das Gremium nur Rechtliches relevant bzw. ob es eine Verurteilung gibt oder nicht, wie es gerade deutlich gemacht.

2019 noch, nachdem Reinhold Mitterlehner ein Buch unter dem Titel „Haltung“ veröffentlichet hatte, in dem er seine Erfahrungen mit Sebastian Kurz darlegte, zeigte sich Spindelegger überzeugt, der junge Kanzler habe die ÖVP gerettet. In Wirklichkeit hat er sie erledigt. Oder besser: „Spindis“ einstiger Schützling erwies sich in den Augen entscheidender Funktionäre als so talentiert, dass sie ihm die Partei, mit der sie nichts mehr anzufangen wussten, ganz übergaben, sich also gewissermaßen selbst erledigten.

Dieser Teil der Geschichte ist bekannt. Betrachtet man aber auch die lange Vorlaufzeit und dass sie sich nun schon über mehr als zehn Jahre erstreckt, in etwa also die Dauer einer durchschnittlichen PolitikerInnen-Generation, wird die Misere dieser Partei erst so richtig deutlich: Sie hat sich schon zu lange aufgegeben. In den Ländern gehen sie schon zu lange ihre eigenen Wege, auf Bundesebene steht mit Karl Nehammer ein Mann, der 2011 noch nicht einmal seinen Universitätslehrgang für Politische Kommunikation absolviert hatte.

Womit auch ein Vorteil, nämlich eine gewisse Unbefangenheit, einhergehen könnte. Nehammers Problem ist jedoch, dass sein Werdegang untrennbar mit dem von Kurz verbunden ist und dass er nun für eine von diesem geformte Bewegung zuständig ist; dass, selbst wenn er einen Schnitt vornehmen würde, zu wenig da ist, woraus Neues mit Aussicht auf Erfolg entstehen könnte – es mangelt an Leuten, Ideen, Zeit und vielem anderen mehr.

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