Unmögliche „Obergrenze“

ANALYSE. Asyl- ist nicht Zuwanderungspolitik. Es geht um Menschenrechte. Sie zu verwehren, lässt sich noch lange nicht begründen. 

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ANALYSE. Asyl- ist nicht Zuwanderungspolitik. Es geht um Menschenrechte. Sie zu verwehren, lässt sich noch lange nicht begründen.

Schubumkehr, hießt es zur Flüchtlingspolitik einmal mehr aus der ÖVP: In Übereinstimmung mit der bayerischen CSU, aber im Unterschied zu den Christdemokraten unter Führung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verlangen Vertreter der Partei vom Boden- bis zum Neusiedlersee, von Markus Wallner bis Reinhold Mitterlehner, eine „Obergrenze“. Wie eine solche durchgesetzt werden soll, ist freilich genauso offen, wie die Höhe: Sollen weitere 50.000 Asylwerber kommen dürfen? Oder gar 100.000? Je intensiver man sich damit auseinandersetzt, desto klarer wird: So einfach geht das nicht.

Zumindest Mitterlehner hat das nun auch selbst erkennen müssen: Er sei nicht mehr fixiert auf eine zahlenmäßige Festlegung, sagte er, der im Dezember noch von 90.000 bis 100.000 gesprochen hatte, am Donnerstagabend in der ZIB 2. Eine solche Zahl würde auf eine Fortsetzung einer gewissen Willkür hinauslaufen: Bisher durfte de facto jeder nach Österreich kommen; das bedeutet, dass auch viele darunter waren, die keine Kriegsflüchtlinge sind. Künftig dürfte, sobald eine Obergrenze erreicht ist, niemand mehr kommen; davon wären naturgemäß auch Männer, Frauen und Kinder betroffen, die sehr wohl Kriegsflüchtlinge sind.

Wobei man betonen muss, dass es sich nicht nur um eine juristische Spitzfindigkeit handelt: Hier geht es auch um Menschen, die dem sicheren Tod in ihrer Heimat und unerträglichen Zuständen etwa in libanesischen Lagern entwichen sind; und die auf ihrer Fahrt übers Mittelmeer Kopf und Kragen riskiert haben. Dafür, sie zurückzuschicken, muss man gute Gründe vorweisen können: Kosten in Milliardenhöhe reichen nicht aus. Genauso wenig der Hinweis darauf, dass die landesüblichen Unterkünfte knapp werden. Wenn es überhaupt ein Argument geben kann, dann allenfalls die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Und eine solche würde wohl weniger mit einer im Vorfeld festgelegten Zahl zusammenhängen, als vielmehr mit einem gewissen Ausmaß an Armut, Kriminalität und Arbeitslosigkeit.

Eine Diskussion darüber wäre tatsächlich angebracht: In wenigen Wochen, wenn es wieder wärmer ist, werden wieder Zehntausende an der Grenze zur Steiermark und zu Kärnten stehen. Was dann? Was können, was müssen wir uns im Hinblick darauf, dass wir hier auch über Menschenleben entscheiden, noch zumuten? Bisher hat keine ernsthafte Auseinandersetzung darüber stattgefunden.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vermittelte vielmehr schon im Frühjahr mit ihren Zeltstädten den Eindruck, dass gar nichts mehr geht. Im Herbst, als noch viel mehr Flüchtlinge da waren, ließ Regierungskoordinator Christian Konrad jedoch wissen, dass das Boot noch lange nicht voll sei.

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