BERICHT. Studien des Finanzministeriums, die eher zum Kurz’schen Projekt Ballhausplatz passten, aber durch Steuerzahler finanziert werden mussten. Eine Auffrischung. Ehe er aufersteht.
Christian Nusser, Chefredakteur der Gratiszeitung „Heute“, berichtet in seinem Blog, wie Ex-Kanzler und -ÖVP-Obmann Sebastian Kurz bemüht ist, Belastendes zu relativieren („Keiner sei im Amt so sparsam gewesen wie er“), um sich selbst wieder vorteilhaft erscheinen zu lassen: „Man weiß nie, wann eine Auferstehung ansteht.“
Wie gut, dass es ein Archiv gibt. Zum Beispiel ein Digitales des Finanzministeriums. Darin sind – außer (!) einem Bericht der Internen Revision zu Deals mit der Tageszeitung „Österreich“ – zahlreiche Studien abrufbar. Und zwar durchwegs Studien, die das Ressort und nicht die ÖVP oder ein Politiker wie Kurz in Auftrag gegeben hat. Sie sind daher auch nicht von diesen bezahlt worden, sondern unter anderen von Ihnen.
Beispiel 1: 2016 ließ das Ressort eine „Social Media Studie“ erstellen. Eine „Erkenntnis“ darin lautete: „Die persönliche Facebook-Seite von Sebastian Kurz weist mit 323.111 Likes mehr als das Zehnfache des Finanzministeriums auf. Trotz der großen Anzahl der Likes gelingt es Sebastian Kurz, mit rund 30% seiner Fans zu interagieren, die Interaktionsrate des Finanzministeriums beträgt 0,16%. Mit rund einem Posting pro Tag postet das Team um Sebastian Kurz auch deutlich häufiger.“
Beispiel 2: Ebenfalls 2016 ließ das Finanzministerium eine „Umfrage zum Thema Steuerreform und New Deal“ durchführen. Sie enthielt aber nicht nur Fragen dazu. Erhoben wurden auch Meinungen zum damaligen Kanzler Christian Kern (SPÖ) oder zu Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und zu Außenminister Sebastian Kurz: Wie werden sie gesehen? Ergebnis: Kurz ist der Hero. Auch potenzielle Wahlkampfthemen werden abgeklopft. Ganz vorne: Asyl.
Beispiel 3: 2018 folgt die berüchtigte Studie zu „Wirtschafts- und Budgetpolitik“. Sie wurde immer wieder erweitert und daher teuer. Erhoben wurde darin etwa, mit welchen Tieren Regierungsmitglieder assoziiert werden. Kurz zum Beispiel mit einem Pfau Und zwar mit der Begründung: „Ist hinterfotzig, will alles übernehmen, geht über Leichen.“ Andererseits wird er laut durchführendem Institut (Research Affairs) aber auch mit einem Eichhörnchen in Verbindung gebracht: „Will hoch hinaus, sieht süß aus.“
Beispiel 4: In einer Untersuchung zur Steuerbetrugsbekämpfung gibt es wiederum parteipolitische Zugänge. Ergebnis: „Etwa die Hälfte der Befragten kann nicht sagen, welche Partei sich für das Thema Steuerbetrugsbekämpfung einsetzt. 13% ordnen den Bereich der FPÖ zu.“ Sie liegt damit vor der SPÖ (zwölf Prozent) und der „Liste Kurz“ (zehn Prozent). Außerdem: „Steuerentlastung und soziale Gerechtigkeit werden spontan als relevante Wahlkampfthemen genannt, Steuerbetrugsbekämpfung jedoch nicht.“
Beispiel 5: Detailreich sind Medienmarktanalysen, die das Finanzministerium 2018 und 2019 erstellen ließ. Das zweite Werk dazu war in Summe 330 Seiten dick. Im Mittelpunkt stand der damalige Ressortchef Hartwig Löger (ÖVP), aber auch für Regierungsmitglieder wie Kurz war herauszulesen, wie viel über sie berichtet wurde und vor allem, wer es freundlich, kritisch oder gar nicht tat. Bezeichnender Auszug: „BM Löger profiliert sich mit einer positiven Budgetentwicklung, einer guten Bilanz in der Betrugsbekämpfung oder dem Familienbonus, der vor allem in den Boulevardmedien gefeiert wird. Löger erreicht medienübergreifend eine teilweise außerordentlich starke Präsenz, nur ATV Aktuell bietet dem Finanzminister trotz Steuerreform keine Bühne.“
Oder: „Die Nichterreichung des Nulldefizits wird medial unterschiedlich behandelt. Während der Boulevard, aber auch der Kurier, den vorläufigen Budgetabschluss auch ohne Nulldefizit als großen Erfolg verbucht, werden die Ergebnisse in der Kommentarlage des „Standard“ weniger gewürdigt. Es ist von einem „verpassten Nulldefizit“ die Rede, dessen Erreichung aufgrund der aktuellen Konjunkturlage „kein Kunststück gewesen wäre“.“
PS: Diese Ausführung sind nebenbei dazu angetan, das Problembewusstsein für eine willkürliche Vergabe von Regierungsinseraten, mit der Belohnungen genauso einhergehen können wie Bestrafungen, zu schärfen.