Einbürgerung (un-)erwünscht

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ZAHLEN ZUM TAG. Wie ticken türkische Staatsangehörige in Österreich, warum wählen so viele Erdogan?

Bei türkischen Staatsangehörigen in Österreich hätte sich Recep Tayyip Erdoğan gleich in der ersten Runde der Präsidenten-Wahl durchgesetzt. Und zwar mit mehr als 70 Prozent. Warum? Erklärungsversuche sind zahlreich, sie enthalten unter anderen den Hinweis, dass sehr viele dieser Menschen aus ländlichen Gebieten der Türkei stammen, in denen der Zuspruch für Erdogan eher größer ist.

In Wirklichkeit weiß man wenig über diese Leute. Natürlich kann man das eine oder andere aus Umfragen oder zum Beispiel Bildungsstatistiken herauskitzeln. Bezeichnend ist aber, dass sich die Akademie der Wissenschaften vor wenigen Jahren schwergetan hat, in den Bundesländern Unterstützung für eine Untersuchung der Einbürgerungsbereitschaft zu finden. Dem Vorwort ist zu entnehmen, dass es viele Absagen gab und dass letzten Ende ausschließlich Wien dabei war. Das erinnert, nebenbei bemerkt, daran, dass Länder wie Tirol und Oberösterreich auch keine Integrationsmonitoren mehr erstellen lassen. Offenbar reicht es Teilen der Politik, das eine oder andere behaupten und unter Umständen auch zu einem Problem erklären zu können.

In der Einbürgerungsstudie fällt auf, dass jede:r zweite türkische Staatsangehörige in Wien kein Interesse an einer Einbürgerung hat. Natürlich: Bei deutschen, die in der Bundeshauptstadt sogar etwas zahlreicher sind, tun das noch viel weniger. Zu diesen heißt es in der Studie, dass das „zweifellos auch mit ihrer Bindung an das Herkunftsland zu tun (habe), das nicht nur wirtschaftlich eines der stärksten weltweit ist, sondern sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in politischer Hinsicht sehr positiv, man könnte geradezu sagen, zu einem stabilen demokratischen Musterland entwickelt hat“.

Umgekehrt könnte man daraus ableiten, dass türkische Staatsangehörige erst recht ein Interesse haben müssten, Österreicher:in zu werden. Das trifft aber eben bei weitem nicht auf alle zu. Vielleicht ist in ihrem Fall maßgebender, warum sie zugewandert sind. Im Unterschied zu anderen Migranten nicht so sehr, um zu studieren oder um zu arbeiten, sondern mehr aus familiären Gründen, wie der Studie zu entnehmen ist. Für viele geht es demnach vor allem darum, mit Angehörigen zusammenzuleben. Behauptung: Damit kann weniger gesamtgesellschaftliche Teilhabe, also auch Integration, einhergehen als mit einem Studium oder einer Erwerbstätigkeit.

Zu Zuwanderer:innen aus der Türkei heißt es in der Studie außerdem: „Diese weisen kulturell und politisch einen ganz anderen Hintergrund auf als jene aus Ex-Jugoslawien; während etwa Kroatien und Slowenien jahrhundertelang Teil von Österreich bzw. des multinationalen Staates Jugoslawien waren, war die Türkei das Kernland des Ottomanischen Reiches und der 1923 gegründete Nachfolgestaat Türkei hat sich zu einem stark nationalistisch geprägten Staat entwickelt. So sind Zuwanderer*innen aus dem früheren Jugoslawien in Österreich deutlich besser integriert als jene aus der Türkei (Aschauer et al. 2019).“

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