Ungeliebtes höchstes Amt

KOLUMNE VON LIBERO. Mangels geeigneter Kandidaten oder aus taktischem Kalkül schieben die Parteien die Wahl des Bundespräsidenten vor sich her – und beschädigen das Amt.

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KOLUMNE VON LIBERO*. Mangels geeigneter Kandidaten oder aus taktischem Kalkül schieben die Parteien die Wahl des Bundespräsidenten vor sich her – und beschädigen das Amt.

Immerhin Irmgard Griss möchte Bundespräsidentin werden. Das ist ihr gutes Recht, wenngleich ihre Werbung in eigener Sache skeptisch machen muss. Ihr stärkstes Atout sei ihre Unabhängigkeit, betont sie. Und meint damit ihre Politikferne. Sie komme von außerhalb, sagt sie, als wäre die vorrangige Qualifikation für das höchste politische Amt, Politik nicht gelernt zu haben.

Das funktioniert vorerst, weil Griss gezielt eine – zu Recht oder auch nicht – weit verbreitete Politikverdrossenheit anspricht. Und, weil ihr die Parteien seit Wochen kampflos das Feld überlassen. Sie steht mir ihrem Wollen momentan noch alleine da und bekommt ungeteilte Aufmerksamkeit. Keine Konkurrenz weit und breit.

Dass die Kleinen, Neos und Team Stronach, in eine aussichtslose Wahl weder Energie noch Geld investieren wollen, ist nachvollziehbar. Sie können sich darauf beschränken, Empfehlungen zu verteilen und daran womöglich sogar ein politisches Geschäft zu knüpfen. Wie die anderen Parteien an diese Wahl herangehen, ist hingegen grob fahrlässig.

In arger Not ist offenbar die SPÖ. Barbara Prammer wäre die logische Kandidatin gewesen, sofern sie SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann nicht womöglich verhindert hätte. In der aktuellen, stark auf Machterhalt ausgerichteten Parteiführung wird jemand, der in der Bevölkerung gut ankommt, bald einmal als bedrohlich empfunden und lieber abmontiert als gefördert. Dementsprechend konzeptlos schaut sozialdemokratische Personalpolitik aus. Dass 2016 ein neuer Bundespräsident zu wählen sein wird, ist seit einigen Jahren bekannt, und seit Prammers Tod ist auch schon wieder einige Zeit vergangen – genug für eine gezielte Kandidatensuche. Die ist freilich nicht erkennbar.

Ein SPÖ-Kandidat mit Außenseiterchancen – das sagt einiges über den Zustand der Kanzlerpartei aus.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wollte ursprünglich, will mittlerweile aber, wie es scheint, nicht mehr so recht. Er muss wissen, dass sein Antreten riskant wäre, alleine schon weil er sich den kompletten Regierungsmalus abholen dürfte. Und der wiegt schwer. Ein SPÖ-Kandidat mit Außenseiterchancen – das sagt einiges über den Zustand der Kanzlerpartei aus.

Faymann hat in Wahrheit niemand Geeigneten mit wirklich guten Erfolgsaussichten. Also tut er so, als habe er die Qual der Wahl. Fast täglich werden neue Namen lanciert, zuletzt jener des Nationalbankers Ewald Nowotny. Zeit gewinnen und abwarten, was die anderen machen, lautet die defensive SPÖ-Devise.

Auch ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner muss in Deckung verharren, um nicht eingestehen zu müssen, nichts zu sagen zu haben.

Das Problem der ÖVP wiederum ist, dass sie einen Favoriten hat, der angeblich aber noch nicht weiß, ob er wollen soll. Erwin Pröll will gebeten werden, lässt die Seinen zappeln und entmündigt damit die Parteiführung. Auch ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner muss in Deckung verharren, um nicht eingestehen zu müssen, nichts zu sagen zu haben.

Ähnlich ist die Situation bei den Grünen, die ebenso stillhalten und nicht vermitteln, hier etwas aktiv vorantreiben zu wollen. Altvorsitzender Alexander Van der Bellen hüllt sich noch in Schweigen, jedenfalls offiziell. Tritt er an, könnte es durchaus zu einem offenen Dreikampf kommen. Sagt er ab, stehen die Grünen ziemlich nackt da.

Nur scheinbar bequem ist die Ausgangslage für die FPÖ.

Nur scheinbar bequem ist die Ausgangslage für die FPÖ. Sie kann auf eine Kandidatur verzichten und so ihre Verachtung für das überwiegend repräsentative Präsidentenamt – und in einem Aufwaschen für das gesamte politische Establishment – demonstrieren. Andererseits müssen die Freiheitlichen jede Wahl nutzen, ihre zuletzt stark gewachsene Wählerschaft beisammen zu halten. Die kann sich zu einem gut Teil rasch wieder abwenden, wenn kein Spektakel geboten wird. Wie auch immer sich die FPÖ entscheidet, taktisches Ziel kann sein, zu verhindern, dass einer der Regierungskandidaten in die Stichwahl kommt. Das würde die ohnedies fragile Koalition zusätzlich belasten.

Aufgabe von Parteien in einer Demokratie ist, Politik zu organisieren. Dazu zählen Wahlen im Sinne von Wettbewerb. Indem sie geschlossen den Eindruck erwecken, die Präsidentenwahl sei mehr lästige Pflicht als Herausforderung, beweisen sie Desinteresse, lassen sie politische Leidenschaft vermissen. Zugleich beschädigen sie das Amt und eröffnen zwangsläufige eine Debatte über die Abschaffung der Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk. Darüber lässt sich reden, aber im Sinne einer Stärkung des Amtes und nicht als Ausfluss politischer Kraftlosigkeit.

*) Der Libero ist ein politisch denkender, von Parteien und Interessenvertretungen unabhängiger Bürger.

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