Umfragen werden’s richten

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ANALYSE. So sehr Sebastian Kurz gezielt Stimmung gemacht hat für sich mit Hilfe von Medien und Meinungsforschern, so sehr wird ihm das jetzt zum Verhängnis.

Ermittlungsakten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft skizzieren bildlich gesprochen eine Fälscherwerkstatt. Vertraute des heutigen ÖVP-Bundesparteiobmannes Sebastian Kurz haben demnach vor fünf Jahren alles getan, um günstige Umfragewerte unter die Leute zu bringen. Zunächst ging es darum, über die Rampe zu bringen, dass man mit dem damaligen Obmann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, verloren sei. Dann, was mit Kurz alles möglich sei und schließlich, das Ganze weiterzuspinnen. Einmal sei ein Umfrageergebnis, bei dem die SPÖ vor der ÖVP lag, dahingehend „frisiert“ worden, dass sich die Verhältnisse umgedreht haben. Ein anders Mal ist man offensichtlich vor sich selbst erschrocken: „Muss beim Rechnen aufpassen, sonst wird es unglaubwürdig.“

These: Das lässt sich aufgrund der ÖVP-Affäre nicht wiederholen. Im besten Fall tritt ein Prozess ein, der dem in Folge des Weinskandals ähnelt. Gerade auch weil so viel Vertrauen der Allgemeinheit vernichtet worden ist, müssen Medien behutsamer werden bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen; müssen Meinungsforschungsinstitute Qualitätskriterien, über die sie ohnehin verfügen, deutlicher zum Ausdruck bringen; werden es sich Politiker und Parteien zweimal überlegen, ob sie hier noch manipulativ tätig werden wollen.

Für Sebastian Kurz ist das freilich das kleinere Problem. Das größte für ihn ist, dass nun eher glaubwürdigere Umfragewerte verheißen, dass er sich mit der ÖVP im freien Fall befindet. Und dass seine Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind.

Der 35-Jährige kann jetzt nicht mehr mobben, wie er das bei Reinhold Mitterlehner getan hat. Er kann sich allenfalls nur darum bemühen, dass seine Regierungsriege mit Alexander Schallenberg eine populistischere Politik macht. Allein: Das passt nicht zu Schallenberg und all den anderen, das können sie alle zusammen auch gar nicht vermitteln.

Die ÖVP ist vor allem aufgrund ihrer Korruptionsaffären im freien Fall. Zunehmend verstärkt wird das aber dadurch, dass nicht mehr klar ist, wer das Sagen hat; dass der neue Kanzler bloß als Schattenkanzler wahrgenommen wird (zumal er selbst keinen Wert auf Eigenständigkeit legt); und dass es etwa mit Finanzminister Gernot Blümel noch einen Vertreter gibt, dessen Persönlichkeitswerte unterirdisch sind.

Was passiert, wenn eine Partei keine guten Umfragen hat, sieht man bei der SPÖ. Pamela Rendi-Wagner ist in der Vergangenheit kaum zugetraut worden, die Partei auf Platz eins führen zu können. Also hat man die Spitzenkandidaten-Frage lieber aufgeschoben und Alternativen wie den Wiener Stadtrat Peter Hanke ins Spiel gebracht.

Was passiert, wenn Umfragewerte sehr schlecht sind und immer mehr auch allen Teilen der Partei zu schaffen machen, kennt man aus der ÖVP: Wenn die Landeshauptleute nicht mehr Rücken- sondern Gegenwind durch den „Bund“ erfahren, werden sie dem Obmann gefährlich. Das ist nur eine Frage der Zeit.

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