Überforderte Arbeitgeber

ANALYSE. Überzeugungsarbeit leisten, ist weniger eine Kernkompetenz von Kapsch und Co. Das zeigen sie – und gefährden die Arbeitszeitflexibilisierung damit auch selbst.  

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ANALYSE. Überzeugungsarbeit leisten, ist weniger die Kernkompetenz von Kapsch und Co. Das zeigen sie – und gefährden die Arbeitszeitflexibilisierung damit auch selbst.  

In der offenen Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern um die Arbeitszeitflexibilisierung steht’s zumindest 0:2. Zum einen, weil sich der – für die Mehrheit abschreckende – Begriff „12-Stunden-Tag“ durchgesetzt hat. Und zum anderen, weil mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ein entscheidender Regierungsvertreter bereits angefangen hat, zurückzurudern; Überstunden sollen demnach nur auf reiner Freiwilligkeit beruhen.

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mögen sich zurecht über die Kampagne beklagen, die Gewerkschafter gegen die Flexibilisierung fahren. Sie ist einseitig. Das aber sind ihre Darstellungen auch. Siehe „Geht’s dem Werner gut, geht’s auch der Erna gut“. Die WKO-Werbung für die Flexibilisierung war nur insofern ein Erfolg, als ganz Österreich darüber gesprochen hat. Aber wie.

Das Problem ist aus Sicht der Arbeitgebervertreter, dass sie sich naturgemäß schwerer tun, eine Mehrheit für ihre Vorstellungen zu gewinnen als Arbeitnehmer. Sie vertreten schon zahlenmäßig weniger Leute als diese; und im Zweifelsfall wird eher ihnen als Unternehmern misstraut.

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben keine Strategie, Stimmung in ihrem Sinne zu machen.

Umso verhängnisvoller aber ist es für Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, dass sie ganz offensichtlich unfähig sind, Stimmung in ihrem Sinne zu machen. Statt vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, unterstellen sie vielmehr, dass die Flexibilisierung sein muss, weil sie sein muss. Und damit basta. Statt eine gewisse Verhandlungsdramaturgie einzufordern, erklärt IV-Präsident Georg Kapsch, dass die Regierung jetzt aber wirklich durchgreifen müsse. Das jedoch trägt dazu bei, die Stimmung nur noch weiter gegen ihn und seinesgleichen zu kippen.

Was die Arbeitgeber, wie im Übrigen auch die Regierung, die in Person von Vizekanzler Strache aber eben ohnehin schon zurückrudert, versäumt hat, ist beispielsweise dies: Ein Dialog mit Arbeitnehmern, in dem wenigstens versucht wird, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was da unbedingt nötig sein soll. Außerdem: In einem Land, in dem Sozialpartnerschaft und Interessenausgleich geschätzt sind, kann man nicht einfach so zu einem Diktat schreiten: Im konkreten Fall hätte man zumindest Verhandlungen führen müssen. Wären sie gescheitert, hätte die Regierung eine ganz andere Legitimationsgrundlage gehabt, die Flexibilisierung so durchzusetzen, wie sie Kapsch und Co. gefallen hätte. So aber wird das nichts mehr.

Aus einem Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaftern wird gar noch einer zwischen Arbeitgebern und Regierung.

Ja aus einem Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaftern wird gar noch einer zwischen Arbeitgebern und Regierung: Kapsch widerspricht Strache jedenfalls schon, indem er meint, dass es bei der Freiwilligkeit zum 12-Stunden-Tag keinen größeren Spielraum gebe. Doch diesen Gefallen wird ihm Strache, dessen Partei bei der letzten Nationalratswahl bei Arbeitern auf einen Stimmenanteil von rund 60 Prozent gekommen ist, nicht mehr machen können – vom Zurückrudern zurückzurudern würde dem FPÖ-Chef zu sehr schaden.

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