Türkis-Grün: Für Kurz wird’s kritisch

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ANALYSE. Die Grünen haben sich nicht unter Druck setzen und mit ein paar Symbolgeschichten abspeisen lassen. Sie wollen wirklich etwas ändern.

Ganz klar: Zu Koalitionsverhandlungen gehört eine gewisse Dramaturgie. Ganz besonders, wenn die beteiligten Parteien sehr unterschiedlich sind. Dann müssen sie nach außen hin deutlich machen, wirklich alles zu tun, um ein Maximum herauszuholen. Insofern gibt es natürlich auch bei den türkis-grünen Gesprächen Höhen und Tiefen.

Ob sich Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) mit ihren Leuten jemals einigen können, bleibt jedoch fraglich. Lesen wir dazu die jüngsten Entwicklungen folgendermaßen: Die ÖVP hat versucht, den Druck zu erhöhen. Das führte zu Schlagzeilen, die suggerierten, dass schon alles unter Dach und Fach sei. Fakt ist, dass sich Grüne wie Johannes Rauch daraufhin gezwungen sahen, mehr oder weniger deutlich kundzutun, dass man von einem Abschluss nach wie vor extrem weit entfernt sei.

Für ÖVP-Chef Kurz wird’s unter diesen Umständen kritisch: Allmählich geht’s an sein Macher-Image. Wenn kein inhaltlicher Konflikt bekannt wird, sondern es immer wieder nur heißt, dass die Gespräche alles in allem eh recht gut seien, dann kann es nicht sein, dass (bald) monatelang verhandelt werden muss. Dann stimmt irgendetwas nicht.

Zweitens: Kurz ist an einem Punkt angelangt, an dem er feststellen muss, dass die Grünen insofern ganz anders gestrickt sind als die Freiheitlichen, als es ihnen nicht so sehr darum geht, an die Macht und zu Posten zu kommen, sondern dass sie wirklich etwas verändern wollen. Ja, in diesem Punkt sind sie auch schwieriger als die Sozialdemokratien, die über die Jahre gelernt haben, sich damit abzufinden, dass wenig bis gar nichts geht bei ihren Kernanliegen (Gemeinsame Schule, Vermögenssteuer etc.).

Das ist in zweifacher Hinsicht unangenehm für Sebastian Kurz: Zum einen kennzeichnet sich seine Reformagenda durch mehr Schein als Sein aus. Beispiel Sozialversicherungen: Die Verwaltungsmilliarde, von der der 33-Jährige gesprochen hat, ist für niemanden nachvollziehbar; auch für den Rechnungshof nicht. Die Reform wird eher teurer, wenn Leistungen, wie von ihm bestätigt, nach oben nivelliert werden. Und überhaupt: Erst vorige Woche wurde bekannt, dass „Einsparungen“ etwa so zustande kommen sollen, dass Mitarbeiter mit 57 in Frühpension verabschiedet werden. Das sagt alles über die Substanz dieses Reformwerks: Sie ist lächerlich.

Mit den Grünem sind auch Symbolgeschichten allein nicht zu haben, wie sie für Kurz mit den Freiheitlichen auf der Tagesordnung standen: Zumindest eine CO2-Steuer müsste wohl kommen. Und auch die eine oder andere Maßnahme, die Migranten nicht nur in einer Bringschuld sehen, sondern Integration auch fördern.

All das führt zum zweiten Punkt, der Türkis-Grün für Kurz allmählich unangenehm macht: Soll es eine Einigung geben, muss er ebenfalls Zugeständnisse machen und von seiner Mitte-Rechts-Politik, die er fortsetzen wollte, da und dort abweichen. Das jedoch stünde in einem krassen Gegensatz zu seinem großen Wahlerfolg vom 29. September und zu dem einen Drittel seiner Wählerschaft, das er aus dem freiheitlichen Lager gewonnen hat.

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