Transparenz, die sie meinen

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ANALYSE. ÖVP-Generalsekretär Stocker bestätigt unfreiwillig, worum es bei der Veröffentlichung von ORF-Spitzengehältern geht.

Es ist gekommen, wie es kommen musste. Nach schlichter Vorführung all jener ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als solche mehr als 170.000 Euro brutto pro Jahr verdienen, gab es breites Unverständnis über die Höhe einzelner Bezüge. Boulevardzeitungen wie die Krone haben die Stimmung gerne befeuert: „Gagen-Kaiser im ORF sorgen für Empörung“, titelte sie, um sich schließlich besorgt über eine Dynamik zu zeigen, die in Gang gekommen war: „Wüste Drohungen gegen ORF-Stars“. Kommentar von Ex-Profil-Chefredakteur Herbert Lackner auf Twitter (X): „Hier zeigt eine Zeitung ungeniert, wie Trottoir-Journalismus funktioniert.“

Hier zeigt eine Zeitung ungeniert, wie Trottoir-Journalismus funktioniert. https://t.co/XIYbmGA5xp

— Herbert Lackner (@HerbertLackner1) April 2, 2024

Wenn Transparenz mit böser Absicht betrieben wird, wird’s gefährlich. Was nicht heißt, dass es gerade in Österreich nicht viel mehr Transparenz geben sollte. Im Gegenteil, aber damit müsste auch eine Kultur einhergehen.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat in einem ZIB2-Interview unfreiwillig deutlich bestätigt, dass es bei den ORF-Spitzengehältern darum geht, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaden. Das ist vorerst gelungen. Ein Teil der Öffentlichkeit fällt auf einer rein persönlichen Ebene über dessen Mitarbeiter her.

In Bezug auf die Politik, auf Parteien sowie Akteurinnen und Akteure, gibt es bezeichnenderweise keine vergleichbaren Transparenzbestimmungen. Dabei wären sie gerade auch hier angebracht: Zum einen haben Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch hier einen Anspruch darauf, zu erfahren, was mit ihrem Geld passiert. Zum anderen geht es darum, zu wissen, wie es zum Beispiel um die finanziellen Verhältnisse eines Politikers bestellt ist; daraus lässt sich erahnen, wie unabhängig er sein dürfte bzw. von wem er abhängig sein könnte. Das ist heikel, erfordert Reife im Umgang, ist demokratiepolitisch jedoch relevant.

Christian Stocker, der in einer Aussendung wörtlich von „exorbitanten Gagen im ORF“ schrieb, mochte in einer ZIB2 nicht sagen, wie viel er selbst als Nationalratsabgeordneter, Vizebürgermeister von Wiener Neustadt und Generalsekretär der ÖVP in Summe verdient. Er war im Gespräch mit Armin Wolf lediglich bemüht, zu vernebeln, dass es mehr als 170.000 Euro brutto pro Jahr sind.

Zu seinem Einkommen als Generalsekretär der ÖVP, die in gewisser Weise ja wie der ORF über die Haushaltsabgabe zu einem erheblichen Teil von der Allgemeinheit finanziert wird (in ihrem Fall über die Parteienförderung), machte Stocker keine direkten Angaben, die es ermöglichen würden, sich einen Begriff zu machen.

Er wies lediglich auf seinen Bezug als Nationalratsabgeordneter hin. Das sind 10.351,39 Euro pro Monat. Außerdem erklärte er, als Vizebürgermeister auf „über 7000 Euro“ zu kommen. Zwischensumme: Mehr als 170.000 Euro brutto jährlich. Im Übrigen erinnerte er an seine Angabe auf der Website des Nationalrats: Zusätzlich zum Nationalratsbezug kommt er demnach auf durchschnittlich mehr als 12.000 Euro pro Monat (das ist die höchstmögliche Kategorie, die nach oben hin unbegrenzt ist).

Genaueres? Nicht von Stocker, er will lediglich berücksichtigt wissen, dass er Parteiabgaben zu entrichten habe. Was, nebenbei bemerkt, auch etwas wäre, was für alle Parteien detailliert offenzulegen wäre: Parteien, die mit Steuergeldern gefördert werden, holen sich Geld von Volksvertretern, die mit Steuergeldern bezahlt werden. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wichtig ist, zu alledem hinzuzufügen: Es gibt gute Gründe für eine ordentliche, ja großzügige öffentliche Politikfinanzierung. Vernebelung bei sich selbst und Transparenz bei Unliebsamen verträgt sich damit jedoch gar nicht.

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