Super-GAU für Kurz

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ANALYSE. Die naheliegende Option „Schwarz-Blau“ nach der Wahl im September ist ausgeschieden. Und überhaupt.

Natürlich will die Neue Volkspartei nichts mit der jüngsten Affäre zu tun haben. Also fordert sie eine „rasche Aufklärung über den angeblichen FPÖ-Novomatic-Deal“ und nicht auch des Postenschachers bei den Casinos Austria, der Teil der ganzen Geschichte ist. Wobei es ja auch die pikante Note gibt, dass neben der ehemaligen Stellvertreterin von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, Bettina Glatz-Kremsner (Vorstandsvorsitzende), der FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Finanzvorstand bestellt wurde. Das ist Proporzpolitik und Postenschacher von gestern – und das trifft eben nicht nur die FPÖ, sondern auch die in Wirklichkeit also gar nicht so neue Volkspartei.

Praktisch könnten Sebastian Kurz und Co. bei der Nationalratswahl jedoch trotz allem gewinnen. Zumindest zunächst: Bricht die FPÖ ein, profitieren sie davon (und nicht Mitte-Links-Parteien). Darüber steht jedoch ein viel schwerwiegenderer Verlust: Die Option „Schwarz-Blau“ nach der Wahl ist erledigt. Allein schon, dass auf Ibiza I ein Ibiza II gefolgt ist, zeigt, dass sehr viele Leichen im Keller liegen könnten, die nach und nach in den kommenden Monaten und Jahren zum Vorschein kommen.

Thema wird das jedenfalls bleiben, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird ihre Arbeit jedenfalls kaum vor Bildung der nächsten Regierung einstellen. Anders ausgedrückt: Eine Fortsetzung von Schwarz-Blau wäre mit dem Risiko verbunden, andauernd von irgendwelchen Affären überlagert zu sein; „Message out of control“, sozusagen – und zwar permanent.

An dieser Stelle muss man noch aufklären, warum „Schwarz-Blau“ bis zuletzt naheliegend geblieben wäre: Sebastian Kurz bedient neben ÖVP- vor allem FPÖ-Anhänger. Damit ist er erfolgreich, viele hat er abgeworben. Das ist einerseits gut für ihn, andererseits aber auch eine Bürde: Er ist dazu verdammt, diesen Wählern zu liefern, was er ihnen versprochen hat. Und das ist ganz sicher keine Asyl- und Fremdenpolitik ganz ohne Menschenverachtung und Zynismus; es ist auch keine Ökosteuer und keine Pensionsreform.

Womit wir beim Super-GAU für Kurz angelangt wären: All das hätte er mit einer geschwächten FPÖ spielend einfach bewerkstelligen können. Mit Grünen oder Neos geht das aber schwer bis gar nicht. Und die SPÖ hat er ja selbst schon in seiner ersten Rede nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos abgewiesen, indem er ihr Reformverweigerung attestierte.

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