ANALYSE. Der ehemalige FPÖ-Chef schadet der Partei längst mehr als er ihr nützt. Den passenden Moment für einen Ausschluss hat sie jedoch verpasst.
Drei Monate hat’s gedauert, bis die FPÖ ihrem ehemaligen Obmann Heinz-Christian Strache den Einfluss auf die große Bühne genommen hat, die sie ihm in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Gemeint ist damit die Facebook-Seite mit rund 800.000 „Fans“. Jetzt hat sie es durchgezogen und so einmal mehr nur mit einem Ibiza-Folge-Thema die Nachrichten bestimmt. Wie schon beim ORF-Sommergespräch Anfang dieser Woche: Geblieben davon ist die Botschaft, dass der designierte Parteichef Norbert Hofer auf Distanz zu Strache gegangen ist; aber nur insofern, als es ein Comeback seines Erachtens erst dann geben kann, wenn alle Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre geklärt sind.
Für die Freiheitlichen ist das eine Katastrophe, die sie sich selbst beschert haben. Klar, Ibiza wäre immer präsent geblieben. Der „Jetzt erst recht“-Slogan und das EU-Wahlergebnis hat sie jedoch mit davon abgehalten, nötige Konsequenzen zu ziehen und Strache aus der Partei auszuschließen, wenn er sich schon selbst nicht ganz zurückzieht, sondern immer wieder aufs Neue zu Wort meldet.
„Jetzt erst recht“ war in den ersten Tagen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos sehr wirkungsvoll: Strache und seine Anhänger befanden sich damals in einem Schockzustand. Sie wollten nicht glauben, was sie und alle Welt zu sehen bekommen hatte. Also flüchteten sie sich in Verschwörungstheorien und dergleichen. FPÖ-Funktionäre bis hinauf zu Generalsekretär Christian Hafenecker ließen sich in diesem Zusammenhang wiederum dazu verleiten, eine baldige Rückkehr von Strache offen zu lassen.
Was der FPÖ zunächst genützt hat, ist ihr zum Problem geworden.
In Wirklichkeit hätte die Partei nach der EU-Wahl jedoch die erwähnten Konsequenzen ziehen müssen. Warum sie es nicht getan hat? Zum einen hat sie sich nicht getraut wegen der Anhänger, die er damals noch hatte, und zum anderen, weil diese Opferrolle eben so gut aufgegangen ist. Anders ausgedrückt: Was ihr zunächst genützt hat, ist ihr zum Problem geworden.
Heute ist es unmöglich für Norbert Hofer und Co. sich von Strache zu verabschieden. Fünf Wochen vor der Nationalratswahl wäre das zwar ein reinigender Prozess, dieser aber würde viel zu viel wertvolle Zeit kosten.
Wie auch immer: Strache schadet der Partei längst mehr als er ihr nützt. Selbstverständlich hat er noch ein paar Sympathisanten. Sein Erfolg war in der Vergangenheit aber nicht nur mit seiner Person verbunden. Erklärbar war er vielmehr über die Performance von ÖVP und SPÖ (bzw. der Großen Koalition) und zuletzt noch über die Flüchtlingskrise. Erst das hat ihm so viel Zuspruch beschert. Heute ist die Flüchtlingskrise in den Hintergrund getreten und gerade eine schwarz-blaue Koalition gescheitert.
Vor allem aber ist Strache nur noch in eigener Sache unterwegs. Tagtäglich versucht er quasi rückgängig zu machen, was nicht rückgängig zu machen ist. Seine unmissverständlichen sowie unverzeihlichen Aussagen im Ibiza-Video nämlich. Damit ist politisch nichts mehr zu holen; im Gegenteil, es ist allenfalls nur mitleiderregend, aber ganz und gar kein Motiv für entscheidende Massen, die FPÖ zu wählen.