ANALYSE. Will die SPÖ bei der nächsten Nationalratswahl auch nur den Funken einer Chance haben, verschont sie z.B. Rendi-Wagner von den kommenden Brutalitäten.
Ja, der oder die Nachfolgerin von SPÖ-Chef Christian Kern übernimmt einen unmöglichen Job: In den nächsten dreieinhalb Jahren steht ganz brutale Oppositionsarbeit an; das ist gegenüber Schwarz-Blau, aber auch den eigenen Genossen in Wien und dem Burgenland schwer. Abnützung ist vorprogrammiert. Und das kann im Grunde genommen nicht gut ausgehen im Hinblick auf die Nationalratswahl 2022; dort sollte der oder die Spitzenkandidatin unbeschädigte Hoffnungsträgerin sein, die sich eine Mehrheit der Österreicher als Kanzlerin wünscht. Die Lösung: Ämtertrennung.
Die SPÖ geht einen verhängnisvollen Schritt zu weit, wenn sie jetzt schon von der großen Person an ihrer Spitze träumt, die nicht nur ihre, sondern ein Stück weit auch die Zukunft der Republik verkörpern soll: Wir schreiben das Jahr eins nachdem sehr viele Wähler alles, nur keine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition wollten; das Jahr eins einer schwarz-blauen Koalition, die diesen Wunsch erfüllte und die noch dazu von einem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geführt wird, der über passable Umfragewerte verfügt und die im Übrigen auch noch eine Politik macht, die summa summarum mehrheitsfähig ist.
Vor diesem Hintergrund muss sich die SPÖ zunächst einmal auf Oppositionsarbeit konzentrieren: Jeden Tag aufs Neue Schein und Sein aufseiten der Regierenden so eindrucksvoll hervorheben, dass irgendwann vielleicht wieder eine gewisse Wendestimmung entsteht; erst dann, wenn eine solche vorhanden ist, macht ein Kanzlerkandidat, eine Kanzlerkandidatin jedenfalls Sinn. Vorher ist das hoffnungslos.
Die Oppositionsarbeit wird zunächst brutal: ÖVP und FPÖ mögen von einem „neuen Stil“ reden, scheuen die brutale Auseinandersetzung jedoch nicht; das wird etwa in ihren Abschiedsworten für Christian Kern deutlich. Das ist umso schwerwiegender, als es nichts Leichteres gibt, als jemanden, der aufgrund seiner Rolle (= Opposition) ständig Kritik üben muss, vorzuführen; nämlich als denjenigen, der nur destruktiv ist und immer nur „nein“ sagt. Das kommt in Österreich, wo Harmonie gefragt ist, nicht unbedingt gut an.
Zum anderen ist es schon SPÖ-intern schwer, Opposition auf Bundesebene zu machen …
Zum anderen ist es schon SPÖ-intern schwer, Opposition auf Bundesebene zu machen. Beispiel: Migration, Integration, Sicherheit sind die Themen, auf die Schwarz-Blau tagein, tagaus und bisher durchaus mit Erfolg setzen. Dagegen auftreten kann man, wie es Christian Kern versucht hat; nur widerspricht man damit den burgenländischen Genossen und zunehmend auch den Wienern, die unter Bürgermeister Michael Ludwig eine restriktive Zuwanderungspolitik sowie „Law and Order“ propagieren, also eher schwarz-blaue Inhalte stützen.
Im Grunde genommen braucht die SPÖ für die nächsten Monaten und Jahre also jemanden an ihrer Spitze, der oder die sich für nichts zu schade ist. Der eine unglaublich dicke Haut hat, angriffslustig ist und sich nicht schont, um irgendwann einmal vielleicht strahlender Kanzlerkandidat sein zu können.
Diese Kandidatur überlässt die Partei besser einer anderen Person zu einem möglichst späten Zeitpunkt. Auch im Wissen, wie sich die Halbwertszeiten entwickelt haben: Selbst Sebastian Kurz ist der Nationalratswahlkampf 2017 zu lang geworden. Hätte er vier Wochen weniger lang gedauert, hätte er sehr wahrscheinlich deutlicher gewonnen.
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