ANALYSE. Die Sozialdemokratie könnte von der türkisen Regierung mit grüner Beteiligung profitieren. Wenn sie sich darum bemühen würde.
Die Verhältnisse sind recht einfach: Die Grünen sind im Rahmen ihrer Regierungsbeteiligung dazu übergegangen, ordentliche Mitte-Rechts-Politik zu ermöglichen. Zum einen haben sie sich auf Klimaschutzfragen zurückgezogen, zum anderen haben sie gegen die Inszenierung, die Sebastian Kurz betreibt, als wäre er schon im nächsten Wahlkampf, nichts auszurichten. Ergebnis: Bereiche wie Justiz-, Bildungs- und vor allem die Flüchtlings- und Migrationspolitik sind – formale Zuständigkeiten hin oder her – türkis bestimmt. Mitte-Links ist nichts mehr.
Für die Sozialdemokratie könnte das ein Geschenk sein: Nicht, dass sie links eine Mehrheit erlangen könnte; die Mehrheit bleibt wohl Mitte-Rechts. Auf dem Weg zu einer Kleinpartei könnte ihr das aber eine Möglichkeit geben, sich zu stabilisieren und wieder ein bisschen zuzulegen.
Im Moment ist die Lage ja hoffnungslos: Die SPÖ liegt gleichauf mit der Krisen-FPÖ. In der Kanzlerfrage reißt ihre Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner gar nichts. Und es traut ihr auch kaum jemand zu, jemals erfolgreich sein zu können. Das ist bitter: Auch wenn man einräumt, dass sie es mit sehr vielen Genossinnen und Genossen unglaublich schwer hat, hilft es nichts; SPÖ-Mindesteigenbeitrag zu einem Comeback wäre Geschlossenheit und eine Führungspersönlichkeit, die Massen mobilisiert.
Das Problem: In der Sozialdemokratie herrscht gerade eine Art Winterschlaf. Und dieser Winterschlaf könnte sich über den Sommer hinweg in die Herbst hinein ziehen. Es ist offenkundig, dass bis zur Wiener Gemeinderatswahl im September oder Oktober keine Neuaufstellung stattfindet. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter-Doskozil hat sich mit seinem Wahlergebnis Ende Jänner zwar empfohlen, sicherheitshalber wird aber auch er die Wiener Entscheidung abwarten; eine Niederlage dort würde selbst ihm schaden.
Andererseits: Ein Mann wie Doskozil funktioniert im Burgenland ohne Sebastian Kurz. Auf Bundesebene ginge das neben Sebastian Kurz, der dafür sorgt, dass rechts von ihm kaum Platz bleibt, wohl nicht so gut auf. Aber die SPÖ besteht ja nicht allein aus Hans Peter Doskozil.
Wie auch immer: Die Zeit rennt der Sozialdemokratie davon. Auch wenn die Grünen noch über sehr gute Umfragewerte verfügen, bedeutet das nicht, dass sie keine enttäuschten Anhänger haben, die jetzt abgeholt werden könnten – ehe das jemand anderer tut.
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