ANALYSE. Nicht nur die Vorsitzende geht beschädigt aus dem Parteitag hervor, sondern die gesamte Sozialdemokratie: Was Rendi-Wagners Widersacher in aller Niedertracht geschafft haben.
Es ist nicht müßig, darüber zu diskutieren, wer die größere Verantwortung für den Zustand der SPÖ auf Bundesebene trägt: Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner oder ihre parteiinternen Gegner? Natürlich haben beide Schuld auf sich genommen: Rendi-Wagner hat bis heute keine inhaltliche Neuausrichtung zusammengebracht; es ist offen geblieben, wem sie ein Angebot machen möchte. Schon bei der Nationalratswahl 2019 ist das Teil des Unglücks gewesen: Es gab sowohl Verluste nach rechts (an die ÖVP) als auch nicht links (an die Grünen). Zuletzt kam es mit der Forderung, Einbürgerungen zu beschleunigen, wohl eher zu einer Einladung an Grünen-Wähler, zurückzukehren. Das aber wurde nicht weiter verfolgt. Ergebnis: Eigene Anhänger, die das ablehnten, sind irritiert zurückgeblichen; neue hat man nicht gewonnen.
Schlimmer noch aber wiegt für Rendi-Wagner wohl dies: Sie hat ganz offen mit Genossen wie Hans Peter Doskozil, der im Burgenland nichts anderes als türkis-blaue Politik macht, gebrochen bzw. sie haben das mit ihr getan. Entscheidend ist, dass sie deren Niedertracht unterschätzt haben dürfte. Beispiel Doskozil: Er hat in der Vergangenheit mehr als deutlich wissen lassen, dass er von Rendi-Wagner und ihrem Kurs exakt null hält; letztlich hat er sich aus dem Bundesparteivorstand zurückgezogen und mehr oder weniger geschwiegen.
Dass ein größerer Teil seiner Leute nun gegen Rendi-Wagner gestimmt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fix. Doskozil ist selbst halbherzige Botschaften wie jene schuldig geblieben, dass er zwar nicht mit allem einverstanden sei, jetzt aber Geschlossenheit und eine starke Sozialdemokratie mit Rendi-Wagner notwendig seien. Das hätten seine Leute verstanden. Anders ausgedrückt: Sein Schweigen war parteischädigend.
Beschädigt ist schließlich nicht nur die Vorsitzende. Es sind auch Personen wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der sich mehrfach und deutlich unterstützend hinter Rendi-Wagner gestellt hat. Ihre Lage ist nun hoffnungslos.
Das kann man so deutlich sagen, weil ihr Verhängnis unter anderem eben auch in der Niedertracht ihrer Widersacher liegt: Die rund 25 Prozent der Delegierten, die auf dem Parteitag nicht für und damit gegen sie gestimmt haben, haben dies im Schutz der Anonymität getan (Stichwort: Wahlgeheimnis). Rendi-Wagner kann damit nicht einmal genau sagen, mit wem sie es zu tun hat.
Damit fehlt eine entscheidende Grundlage dafür, sich aus dieser Krise herauszubewegen. Andererseits könnte es ohnehin schon zu spät sein: Rendi-Wagner hat auf dem Parteitag kaum mehr Unterstützung bzw. ähnlich viel Misstrauen geerntet wie bei der Vertrauensabstimmung vor einem Jahr. Das bedeutet, dass das Ergebnis dieser Vertrauensabstimmung von sehr vielen Genossinnen und Genossen nicht respektiert worden ist, ja dass sich die parteiinternen Fronten verhärtet haben. Im Sinne der Sozialdemokratie wäre es in der Verantwortung beider Seiten gewesen, sich zu bewegen; sie sind dem aber eben nicht gerecht geworden.
Auf eine Gelegenheit, sich durch einen Wahltriumph über diese Zustände innerhalb der Sozialdemokratie hinwegzuretten, kann Rendi-Wagner nicht setzen: Voraussetzung dafür wäre nicht nur eine ÖVP von Sebastian Kurz, die über eigene Fehler und Affären stolpert; sondern auch eine SPÖ, die in Wien genauso für ihre Vorsitzende und Kanzlerkandidaten brennt wie im großen Niederösterreich und im kleinen Burgenland.
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