SPÖ ab-, Grüne noch nicht angemeldet

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ANALYSE. Österreich mag polarisiert sein. Andererseits: Viele, die das Ende von Schwarz-Blau bejubelt haben, stehen gerade ohne Angebot da.

Es ist nicht so, dass Mitte-Links-Wähler eine Mehrheit bilden würden. Es sind jedoch viele und umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass sie zu Beginn des Nationalratswahlkampfes ohne Angebot dastehen: Die SPÖ ist dabei, sich von ihnen zu verabschieden. Und den Grünen kommt dieser Urnengang so früh, dass sie sich erst sammeln müssen. Ausgang offen.

Zu behaupten, die Wiener SPÖ habe die Bundesorganisation inkl. Pamela Rendi-Wagner übernommen, wäre übertrieben. Die Bestellung des Werner-Faymann- und mehr noch Michael-Ludwig-Vertrauten Christian Deutsch zum Wahlkampfleiter kann jedoch nur schwer überbewertet werden: Damit geht eine Korrektur einher. Nachdem die Partei in den letzten Wochen ins Schleudern geraten war, gibt nun Ludwig die Richtung vor.

Was das heißt, kann man nachvollziehen, wenn man sich anschaut, wie sich die Wiener SPÖ unter seiner Führung ausgerichtet hat: Im Mittelpunkt stehen weniger denn je Mitte-Links-Wähler in den zentrumsnahen Bezirken, sondern Leute, die eher in den Flächenbezirken leben und die auch für die FPÖ ansprechbar sind. „Wiener zuerst“ bei Wohnungs-, Auftrags- und Jobvergaben ist ebenso ihnen gewidmet wie zum Beispiel das Alkoholverbot auf dem Praterstern. Linke mögen sich daran stoßen, in der Kalkulation ist das jedoch berücksichtigt: Mit ihnen gewinnt man demnach ohnehin keine Wahlen.

Wie ihr Vorgänger Christian Kern passt Rendi-Wagner nicht zu diesem Kurs. Wobei Ludwig nie einen Hehl daraus gemacht hat, wieviel er von ihr hält. In einem ZiB2-Interview nach ihrer Bestellung sagte er ganz offen, dass sie nicht seine Wunschkandidatin sei. Zu ihren Vorzügen erklärte er gegenüber „Heute“ wiederum – in genau dieser Reihenfolge -, dass sie „sehr sympathisch, telegen und kompetent“ sei.

Christian Kern hatte bei der Nationalratswahl 2017 noch stärker die Richtung bestimmen können. Nach rechts hat er zwar Wähler verloren, andererseits aber von den Grünen vor allem in den Städten auch Wähler gewonnen. Von daher ist die SPÖ vor zwei Jahren etwas nach links gerückt. Jetzt gibt sie das auf – und muss damit rechnen, in alle Richtungen auszurinnen. Auf der einen Seite scheint sie gegen die Sebastian-Kurz-ÖVP, aber auch die Freiheitlichen, chancenlos zu sein. Auf der anderen Seite legt sie erst gar keinen Wert mehr auf ein Angebot für Mitte-Links-Wähler, die etwa Migration nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance betrachten.

Doch wo sollen diese Wähler hin? Das ist das Besondere an der österreichischen Lage: Sebastian Kurz mag polarisieren, von Freiheitlichen gar nicht zu reden. Ein guter Teil ihrer Gegner hat jedoch kein wählbares Angebot. Links ist im Moment nichts. Die SPÖ hat sich abgemeldet. Und die Grünen haben auf Bundesebene quasi alles in die EU-Wahl geworfen, inkl. Werner Kogler als Spitzenkandidat. Jetzt muss er sich erst mit seinen Leuten beraten, wie’s weitergehen soll, wer eine Nationalratswahl zumindest ebenso erfolgreich schlagen könnte.

Die Voraussetzungen für die Grünen wären selbstverständlich gut, zumal ehemalige Anhänger von der SPÖ zurückkehren würden und all jene Wähler, die sich nach einem Kontrastprogramm zu Schwarz-Blau sehnen und die mit den wirtschaftsliberalen NEOS nichts anfangen können, ja eigentlich gar nicht anders können, als „grün“ zu sein. Allein: Auch dazu müssen die Grünen erst liefern.

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